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Haus Ohne Hüter

Haus Ohne Hüter

Titel: Haus Ohne Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böl
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lächelnd, und er hatte Tata auf der Schule kennengelernt, wo er lesen und schreiben lernte. Tata arbeitete auch bei der Eisenbahn, noch war sie da, nur um Plakate zu schleppen, aber sobald sie lesen, sobald sie schreiben konnte, würde sie mehr sein, Besseres sein, und die blonde runde Tata auf Glums Bild schien noch heftiger zu grinsen, denn Tata würde auf dem Bahnhof von Tambow stehen, die Fahrkarten kontrollieren und sie knipsen, Tata mit einer Mütze, unter der ihr blonder, dicker Zopf hervorsah, Tata mit einer Knipszange. Aber der große Augenblick für Glum kam erst, als er ein Jahr mit Tata verheiratet war, als Tata längst mit Mütze und Knipszange auf dem Bahnhof von Tambow stand. Tata zeigte ihm erst nach einem Jahr, was sie tief unten in der Holzkiste hatte, die in der Küche stand: ein Kruzifix und eine Muttergottesmedaille, und in den Nächten, wenn er mit Tata auf dem Bett lag, erzählte sie ihm alles, und Glum wurde von der Flamme ergriffen Ȭ Glum malte eine Flamme, viel Rot mit viel Gelb Ȭ , aber wieder wurde Glum westwärts gerollt Ȭ ein Schneemann, der dicker, dicker, immer dicker wurde. Glum wurde unentwegt von Tata weggerollt,
    denn es war Krieg. Glum wurde verwundet, und ostwärts rollte er wieder auf
    Tambow zu, doch Tata war weg, und niemand wußte, wo sie war; in Eisenbahnermütze und mit der Knipszange in der Hand war sie eines Morgens weggegangen und nicht wiedergekehrt. Glum blieb in Tambow, forschte nach Tata, fand keine Spur von ihr. Wieder wurde er westwärts gerollt, kam wieder in den Krieg, weil er gesund war Ȭ rollen, rollen, bis wie Ȭ der ein Ruhepunkt kam, den Glum nicht KZ, sondern Lager nannte. Im Lager hatte Glum die Zähne, die Haare verloren, nicht nur vor Hunger, sondern auch vor Entsetzen, und wenn Glum Entsetzen sagte, klang es entsetzlich, nicht Äpfel, nicht Luftballons, sondern Messer kamen aus seinem Mund, und sein Gesicht veränderte sich so, daß Martin Angst vor ihm hatte, wie er auch Angst vor ihm hatte, wenn Glum lachte. Glum lachte, wenn Bolda zu ihm ins Zimmer kam, um mit ihm Choräle zu singen. Glum konnte gut singen, hell und wild klang seine Stimme. Fing aber Bolda an zu singen, dann lachte Glum, sein Lachen klang, als sausten hundert kleine Messer durch die Luft. Wenn jedoch Bolda auch nach Glums Lachen noch weitersang, wurde Glum fast böse, und er sagte flehend: »Oh, Bolda, du machst mich ganz nervös.«
    Onkel Albert hatte Glum mitgebracht, ihn »aufgelesen«, glatzköpfiges,
    zahnloses Ungeheuer, das an den Pforten der Marmeladenfabrik um Arbeit bettelte und vom Pförtner abgewiesen wurde, Albert hatte Glum mitgebracht, und die Großmutter war gut zu Glum, großes Plus für die Großmutter, wie die Großmutter auch, trotz allem, gut zu Bolda war.
    Auf Bolda fand dasselbe merkwürdige Wort Anwendung, das die Mutter — es auf sich selbst anwendend — so oft gebrauchte: verkorkst. Bolda war verkorkst, sie war so alt wie die Großmutter, und immer, wenn sie aus ihrem Leben erzählte, schien sie etwas anderes gewesen zu sein. Zuerst war sie Nonne gewesen, aber dann hatte sie geheiratet, der Mann war gestorben, und sie hatte noch einmal geheiratet, und wenn die Großmutter Streit mit ihr hatte, sagte sie, »du ausgebüchste Nonne« und »du Doppelwitwe«, und Bolda kicherte dann. Bolda war »verkorkst«, aber gut, und Glum war seltsam, etwas unheimlich, aber dennoch gut. Erzählte Bolda aus ihrem Leben, so warf sie alles durcheinander; Nonnentum, Ehe und Witwenschaft, erste und
    fangen Ȭ und zwei Sätze später sagte sie: »Als ich in Koblenz den Laden hatte,
    elektrische Sachen, weißt du, Bügeleisen, Heizöfen« Ȭ aber im nächsten Satz war sie wieder im Kloster und schilderte ihre Wäscheaussteuer. »Als ich zum erstenmal Witwe wurde« Ȭ aber schnell rutschte sie wieder in eine andere Ebene: »Er war ein guter Mann.« »Welcher?«
    »Na, mein zweiter Ȭ und er hatte zum Glück kein Geschäft, sondern war Beamter. Er war bei der Sipo.« »Was ist das?«
    »Das verstehst du nicht, aber davon hab ȇ ich zum Glück meine Pension.« Dunkle Andeutungen über die Funktionen der Sipo ließen ihn vermuten, daß es mit unmoralisch und unschamhaft zu tun hatte, und von der Sipo also bekam Bolda ihre Pension. In Boldas Andeutungen spielten Gebüsche eine Rolle, die ihr Mann offenbar kontrolliert hatte, und ihm fiel ein, was Grebhake und Wolters im Gebüsch getan hatten, Unschamhaftes, dunkelrote Ge Ȭ sichter, offene Hosenlätze und der bittere Geruch

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