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Haus Ohne Hüter

Haus Ohne Hüter

Titel: Haus Ohne Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böl
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sich etwa vereinigt?«
    »Nein, nein«, sagte Onkel Albert, und hier wurde er eindeutig rot, »das ist
    Verwirrung, sie waren verwirrt, sind verwirrt Ȭ denk nicht mehr daran und frage mich immer, wenn du so etwas hörst und es nicht verstehst.« Alberts Stimme wurde eindringlich und ernst, aber sie blieb sehr freundlich: »Hörst du, frag mich immer. Es ist besser, darüber zu sprechen. Ich weiß nicht alles, aber was ich weiß, sage ich dir. Bestimmt. Vergiß nicht, mich zu fragen.« Noch blieb das Wort, das Brielachs Mutter zum Bäcker gesagt hatte, er dachte daran und wurde rot, aber das Wort würde er nie aussprechen können.
    »Was hast du«, fragte Onkel Albert, »ist noch was?« »Nein«, sagte er, und er
    schämte sich auch zu fragen, ob seine Mutter unmoralisch sei. Diese Frage wollte er später, viel später erst stellen.
    Seit diesem Tage kümmerte sich Onkel Albert viel mehr um ihn. Er nahm ihn oft im Auto mit, und auch die Mutter Ȭ so schien es
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    ihm jedenfalls Ȭ war von diesem Tage an anders. Sie war ganz anders, und er war sicher, daß Onkel Albert mit der Mutter gesprochen hatte. Und sie fuhren manchmal zu dreien weg, und Brielach durfte so oft kommen, wie er wollte, und manchmal nahmen sie auch Brielach mit, wenn sie im Auto wegfuhren: in den Wald, an die Seen, oder sie gingen Eis essen und ins Kino. Jeden Tag auch, sie schienen es abgesprochen zu haben, sah einer von ihnen seine Schulaufgaben nach, sie hörten ihn ab, halfen ihm und waren beide Ȭ die Mutter und Albert Ȭ sehr freundlich mit ihm. Die Mutter war geduldig und öfter zu Hause, und er bekam jeden Tag sein Mittagessen, eine Zeitlang sogar Kartoffeln Ȭ aber nur eine Zeitlang. Mutters Geduld hielt nicht lange vor Ȭ danach war die Mutter wieder nur unregelmäßig da, und es gab nicht jeden Tag Essen. Mit der Mutter konnte er nicht rechnen, so wie er Ȭ in einer anderen Weise Ȭ mit Glum, Albert und Bolda rechnen konnte.

11

    Nella stand hinter dem grünen Vorhang und rauchte, stieß die grauen Rauchwolken in den Hohlraum zwischen Vorhang und Fenster und beobachtete, wie die Sonne das Grau zerfaserte und wie es in schmalen Strähnen nach oben stieg: farbloses Gemisch aus Staub und Rauch. Die Straße war leer. Alberts Auto stand vor der Tür, feucht das Dach vom nächtlichen Regen, der keine Pfützen auf der Straße hinterlassen hatte. In diesem Zimmer, hinter diesem Vorhang, hatte sie schon vor zwanzig Jahren ge Ȭ standen und auf junge Kavaliere gewartet, die mit dem Tennisschläger in der Hand die Allee heruntergelaufen kamen, alberne und rührende Helden, die nicht ahnten, daß sie beobachtet wurden, und im Schatten der Kirche, die gegenüberlag, sich hastig noch einmal durchs Haar kämmten, ihre Fingernägel betrachteten, verstohlen ihr Geld zählten, das sie aus ihrer Börse nahmen, um es lose in der Tasche zu haben, eine Spielerei, die sie für flott hielten. Flott zu sein, galt diesen jungen Helden das meiste: ein wenig keuchend kamen sie an, überschritten die roten Kastanienblüten, die im Vorgarten lagen Ȭ heruntergefallen im ersten Regen Ȭ , und sie hörte dann kurz darauf die Klingel. Aber auch die Flottesten hatten gesprochen, gedacht,
    gehandelt wie junge, flotte Tennisspieler in Filmen handeln, denken und
    wußten, daß sie albern waren Ȭ auch das galt als flott Ȭ , aber das änderte nichts daran, daß sie wirklich albern waren. Jetzt kam ein junger Held die Allee herunter, den Tennisschläger in der Hand, kämmte sich im Schatten der Kirche schnell durchs Haar, betrachtete seine Fingernägel, nahm das Geld aus der Börse und steckte es lose in die Tasche Ȭ kam ein Gespenst über den Tep Ȭ pich aus roten Blättern, oder sah sie einen Film? Manchmal kamen ihr Filme, die sie sah, wie ein Leben vor, zu dem sie sich selbst durch Zahlung von einer Mark achtzig verdammt hatte Ȭ und das Leben kam ihr vor wie ein schlechter Film. Zweifellos: Schwärzliche Striemen waren vor ihrem Blick, der sanfte, graue Schleier, der alte Filme kennzeichnet Ȭ jetzt, wo dieser junge Held mit dem Tennisschläger aus dem Schatten der Kirche auf die Straße trat, um zu einem jungen Mädchen in der Nachbarschaft zu gehen.
    Ohne sich umzuwenden, fragte sie nach rückwärts: »Wird um diese Zeit auf den Tennisplätzen schon gespielt?« »Natürlich, Mutter«, sagte Martin,
    »manche fangen noch früher an.«
    Natürlich, das war auch damals so gewesen Ȭ nur hatte sie nie Gebrauch davon gemacht, weil sie gern lange schlief und ihr

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