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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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soziokulturellen Sinn e …« Mein Vater redete mal wieder mit sich selbst.
    »Und Wiebk e … die hast du in Trier kennen gelernt?«
    »Weißt du doch, beim Germanistikstudiu m – bevor sie zu Skandinavistik wechselte und ich zu Politologie und Kunstgeschichte«, er grinste in sich hinein, »in einem Seminar über den Zauberberg . Alle sprachen nur über Krankheit, Tod und Verfall, während wir die ganze Zeit ein Zwiegespräch über die versteckte Erotik geführt habe n … Wir haben uns immer lange in die Augen geschaut, während wir redeten, und irgendwann landeten wi r …«
    » … im Bett«, dachte ich, aber Klaus fuhr fort: »in der gleichen Referatsgruppe.« Versonnen schaute er auf seine glühende Zigarettenspitze: »Damals hatten wir wirklich viele Idee n …Wir Studenten wollten eine Menschenkette von Bonn nach Paris bilden, als Zeichen für, äh, gege n …, aber einige unserer Kommilitonen regten sich darüber auf, dass das so zentralistisch gedacht sei, von Hauptstadt zu Hauptstadt. Und als ihr dann da wart, wollten wir euch nicht dem normalen Bildungsbetrieb aussetzen, wir hatten einen Plan mit einer privaten Schule, in der wir euch und die Kinder von Freunden unterrichten würden, also abwechselnd immer die jeweiligen Eltern einen Tag in der Woche, je ein Fach. Ich hätte Kunst übernommen, Wiebke wollte Deutsch und, äh, Norwegisch machen. Aber das Ganze scheiterte dann an den anderen Eltern, die all e … einfach nicht risikobereit waren.«
    »Von so’m Adlerauge wie Frau Hülsenbeck hätte ich aber nicht unterrichtet werden wollen, die hätte einem bestimmt ’n Affenberg Hausarbeiten aufgebrummt.«
    »Na, an die hatten wir auch nicht gedacht.«
    Klaus seufzte und drückte seine Zigarette aus.
    »Klaus?«
    »Hm.«
    »Waren viele Leute damals, als du nach Berlin gezogen bist, so wie der Hauser?«
    »Wie unser Nachbar? Dieser Prolet? Wie kommst du denn darauf?«
    »Weiß nicht. Weil ihr immer sagt, ihr hättet nicht so eingefahren leben wollen, total unabhängig, ohne Kaffeekränzchen und Kleiderzwan g … Obwohl, du trägst ja freiwillig Krawatten.«
    »Ach, dass du immer darauf herumreitest! Ich trage doch keine normalen Krawatten, das sind ausgesucht schöne!«
    »Schooon gut. Aber gab es keine Leute, die so wie der Hauser gelebt haben?«
    Das Thema schien Klaus nicht zu behagen.
    »Der Hauser, der Hauser, hac h … So’ne Typen hat es immer gegeben, das hat nichts mit der Stimmung zu tun, die damals herrschte. Das ist einfach so ei n … sich mit Kleinkriminalität durchschlagender Prolet, wenn du mich fragst, der reflektiert doch nicht seinen Lebensstil.«
    »Na ja, aber er lebt einfach so. Ich weiß nicht. Der schläft bis Mittag und macht doch, was ihm passt, oder? Muss man denn über alles erst reden oder schreiben, damit es stimmt?«
    Klaus runzelte die Stirn. »Ob der Hauser so lebt, wie ich vielleicht gern als junger Mensch gelebt hätte, sei noch dahingestellt.«
    »Ihr habt eben eure Boat People , er seine Hawaiitapete.«
    Mir schien es da durchaus eine Parallele zu geben. Aber Klaus schüttelte müde den Kopf und lächelte versöhnlich: »So ist das wohl zu allen Zeiten gewesen, die Kinder rebellieren gegen ihre Eltern, wir schimpfen über den Hauser, du kritisierst uns, logisch. Na, ich bin gespannt, was aus dir mal werden wird! Nicht, dass du noch Reisebüroangestellte wirst und jeden Tag Leute auf Charterflüge nach Hawaii schickst«, er tätschelte mir kurz den Arm und blickte unruhig in Richtung seines zugekramten Schreibtischs.
    Nachdenklich schlurfte ich in mein Zimmer zurück und stellte mich ans Fenster: Der Hauser schmierte gerade etwas mit einem Edding an die Wand über seinem Bett. Was er krakelte, ergab keinen Sinn, soweit ich es erkennen konnte. Oder? War das wieder eine Botschaft für mich? Ich schnappte mir mein Minifernglas, das ich auf dem Trödelmarkt auf der Straße des 17 . Juni erstanden hatte.
    Kurz ließ ich meinen Blick über die Fassade schweifen, nicht, dass mich jemand dabei ertappte, wie ich den Hauser, auch noch mit Fernglas, beobachtete. Als ich meinen Kopf scheu aus dem Fenster reckte, gingen mir für einen Moment die Männer durch den Kopf, die ihr Gesicht aus dem Glitzervorhang der Peepshow streckte n … was machte ich hier eigentlich? Der Gedanke gefiel mir gar nicht, ich versuchte ihn abzuschütteln, doch er blieb hartnäckig auf mir sitzen wie eine Rattenloch-Taub e. Schließlich beugte ich mich nach vorn und las, was der Hauser über sein

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