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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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weißen Geranien wurde. Als die derzeitige Vertretung von Herrn Kugeritz, Frau Borgemann, die immer bunte Wallekleider trug und uns Haferkekse auf den Tisch legte, an meinem Platz vorbeilief, fragte ich sie, ob es stimme, dass jedes Jahr Tausende von Pflanzen und Tieren ausstarben. Frau Borgemann sah mich verwirrt an und sagte, das »gehöre nicht hierher«. Wohin sonst?
    Auf dem Nachhauseweg sah ich zu meiner Überraschung Herrn Olk aus der Peepshow laufe n – mit einem alten Lampenschirm in der Hand. Er tat so, als ob er mich nicht gesehen hätte.
    Nachmittags saß ich bei Isa auf dem Balkon. Unter dem Vorwand, uns Eis und Kuchen zu bringen, mischte sich ihre Mutter permanent in unser Gespräch ein. Isa war eigentlich gerade dabei, von Joshuas Party zu erzählen, aber sobald Mutti auf der Bildfläche erschien, wechselte sie nahtlos zum Reiten über.
    »Larissa hatte das gleiche Top von Jean Pascal an wie Joshuas Schwester und ärgert e … leider haben wir bei dem Turnier nur den dritten Platz gemacht!«
    »Melanie hatte eine weiße, fast durchsichtige, Bluse, darunter einen schwarze n … Kalli, mein Lieblingspferd, versteckt sich immer hinter der Rampe!«
    Während ihre Mutter unsere Schalen mit weiterem Pfirsicheis auffüllte, fragte ich Isa: »Und wie war’s bei Sonja?«
    Isa sah mich verwirrt an: »Was meinst d u … ach ja, gestern meinst du, ach, äh, das ist schon so lange her, dass ich es fast vergessen hätte, ja, da gab’s nicht viel zu sagen. «
    In diesem Moment schaltete sich Frau Hülsenbeck ein. »Isa, du warst doch bei Sonja, oder?«
    Isa kroch fast in ihre Eisschale hinein. Ein Klingeln an der Haustür befreite sie aus ihrer Situation. Herr Hülsenbeck kam zu Besuch. Bald saßen Frau und Herr Hülsenbeck in trauter Harmonie im Wohnzimmer, er in einem beigefarbenen Anzug, sie in einem hellbraunen Kostüm, und tranken wie immer Earl Grey ohne Zucker.
    Wir blieben auf dem Balkon, Frau Hülsenbeck ließ die Tür offen stehen, wahrscheinlich um unser Gespräch verfolgen zu können. So konnten allerdings auch wir sie belauschen.
    Ich hörte Frau Hülsenbeck über einen Demonstranten lamentieren, dessen Fal l – Landfriedensbruc h – sie zu entscheiden hatte. Sie sehnte sich nach ihren Delinquenten aus den Siebzigerjahren zurück, die ihr nicht immer mit »verquasten ideologischen Ansichten«, sondern mit einem Geständnis gekommen waren. Isa hatte mir auch schon erzählt, dass ihre Mutter »ein Herz für Klemmis« habe und diese Männer, auch wenn sie schlimme Dinge, von Körperverletzung bis zu Entführungen, anstellten, verhältnismäßig milde verurteile. Aber mit den »Aufmüpfigen«, die keinerlei Einsicht zeigten und im Gerichtssaal herumpöbelten, komme sie nicht zurecht. Herr Hülsenbeck legte jetzt ein gutes Wort für den neunzehnjährigen Demonstranten ein. Er meinte, Frau Hülsenbeck solle in Erwägung ziehen, seine unverhohlenen Aggressionen gegen den Staat als fehlgeleitete Frustreaktion auf das Verschwinden seines Vaters vor drei Jahren zu verstehen. Dieser war von einem Tag auf den anderen in eine Aussteiger- WG ins Wendland gezogen. Frau Hülsenbeck machte »hm hm« und schrieb sich etwas auf. Dann schwenkten sie zu einem ihrer Lieblingsthemen über: ihr gemeinsames Engagement für den internationalen Verein British Decorative Arts .
    »So harmonisch wie bei deinen Eltern geht’s bei meinen selten zu«, sagte ich mit einem Anflug von Neid zu Isa. »Sag ma l … meinst du nicht, dass die noch mal zusammenkommen?«
    Isa verdrehte die Augen. »Das fragst du mich jetzt schon zum wiederholten Mal. Ich sage dir nur: Besser sie unterstützen sich gegenseitig mit ihren Fällen, als sie machen sich gegenseitig zu welchen.«
    Melanie hört die Neue Deutsche Welle nicht mehr! Die Nachricht ging in Sekundenschnelle über den Flur. Steffen und ich guckten uns an. Was konnte uns weniger interessieren? In der Pause verließen wir den Schulhof und setzten uns in einem nahe gelegenen Park ins Gras. Nach einer Weile Schweigen fragte Steffen mich, ob ich gern Schach spiele, und wir fingen an, uns über mögliche Reformen des Schachspiels zu unterhalten. Ich schlug das dreidimensionale Schachspiel vor, er »Falltüren« und »Fluchtwege«. Anstatt zu Biologie zu gehen, malten wir die ausgeklügeltsten »Fluchtvarianten« in unsere Schnellhefter.
    In den nächsten Tagen gingen Steffen und ich in jeder Pause zum Johanna-Platz. Rolf und Oliver warfen sich bedeutsame Blicke zu, wenn wir zusammen zu spät

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