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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
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irgendwo im Unterbewussten ein. Diese Sympathie muss in mir jahrelang gebrodelt haben. Plötzlich kam sie raus. Ich war von heute auf morgen extrem. Ich konnte auf einmal die Hippies auf den Tod nicht mehr ausstehen. Vielleicht war das auch die zu spät eingetretene Trennungsphase von Anton, dem Hippie. Auf jeden Fall ertrug ich nicht länger die Klos in den Hippie-Wohngemeinschaften, die mit Hippie-Plakaten vollgehängt waren. Von deren psychedelischen Motiven wurde ich auf der Stelle aggressiv. Sobald ich Spiralen, Pfauenaugen, Schmetterlinge, Fische, Blumen, Gitarren, Peacezeichen, Korallen und Kaleidoskope sah, riss ich alle Plakate von der Wand, zerkleinerte sie in Fetzen und spülte alles in der Kloschüssel runter. Wenn ich auf einem solchen Klo Räucherstäbchen fand, schmiss ich sie aus dem Fenster. Auch machte mich das bürgerliche Benehmen wahnsinnig. Ich kam zu Besuch und sollte als Erstes die Schuhe ausziehen. Auf der Stelle drehte ich durch, beschimpfte den Gastgeber als Spießer, riss ihm die für mich bestimmten Hausschuhe aus der Hand und rannte weg. Die Hausschuhe warf ich in den Gully. Ich fuhr grundsätzlich schwarz. Ich klaute alles, was mir in die Finger kam. In Supermärkten, Kaufhäusern, Künstlerbedarfsläden, Buchhandlungen, Boutiquen, Cafés. In meinen Taschen verschwand alles, was nicht nagelfest war, auch Sachen, die ich nicht brauchte. Bei Optikern ließ ich manchmal zehn Brillengestelle teuerster Label mitgehen, was einerseits nicht schwer war, andererseits ein ganz schön hohes Sümmchen ausmachte. Für mich waren das keine Diebstähle. Es waren Besorgungen. Ich klaute nicht, ich organisierte. Wenn mir was fehlte, machte ich mir vorher immer einen Plan, um effektiv vorzugehen. Dann ging ich los und kam voll beladen zurück. Ich fühlte mich erfüllt und befriedigt. Irgendwie glücklich. Weil es mir gelungen war, das System zu überlisten. Diese Eskapaden waren meine alltäglichen Erfolge, und mit jedem Mal wurde ich noch kleptomanischer und dreister. Ich klaute nicht mehr nach Bedarf, sondern nach Summe. Ich musste auf das Minimum von eintausend Mark pro Nachmittag kommen.
    Was ich nicht brauchte, verschenkte ich. Sybille gab ich immer diese teuren Filzer von Pantone, bis ich sie als die Vorwerkstifthippiespießerin abschrieb. Dabei klaute ich diese Filzer wirklich nur für sie. Weil sie mir leidtat, diese armselige kleine Möchtegernkünstlerin. Sybille konnte nicht zeichnen und erhoffte sich, mit den Pantonestiften einen werbeagenturmäßigen Schwung in ihre Krickeleien reinzukriegen. Ich hielt davon nichts. Ich mochte ihren Stil nicht. Sie kupferte nur ab. Sie schielte dauernd darauf, was in war. Sie entwickelte nichts Neues. Sie war ungebildet und unpoetisch. Ich machte sie manchmal auf den Himmel aufmerksam: Schaue dir an die Wolken, wie sie ziehen vorüber . Sie konnte damit nichts anfangen und spottete in der unter ihren Freundinnen verbreiteten Comicstripsprache: Kicher, Kicher . Angeblich war meine Satzstellung falsch. Typisch deutsch. Hier stand die Satzstellung über dem Inhalt. Dazu ernährte sich Sybille sehr schlecht. Sie aß nur Toastbrot mit Nutella und wunderte sich, dass ihr Gesicht voller Pickel war. Sie meckerte viel. Sie war eine negative Person. Ich wollte ihr wirklich mit diesen Filzstiften Freude machen. Mit ein bisschen Luxus ihren Pessimismus ins Positive wenden. Aus Freundschaft nahm ich Sybille sogar auch einmal mit. Ich wollte ihr beibringen, wie man Sachen im Laden unauffällig in den eigenen Taschen verschwinden lässt. Das hatte aber keinen Zweck. Sybille bekam so einen Schiss, dass sie auf der Stelle krank wurde. Sie war sowieso nichts anderes als eine Hypochonderin. Wenn sie ihre Tage hatte, lag sie original eine Woche lang im Bett, angeblich mit Schmerzen. Ich war mir sicher, dass sie nur auf sich aufmerksam machen wollte. Ich war echt froh, als ich mit ihr endlich nichts mehr zu tun hatte. Sie jammerte ständig, wie arm sie sei. Was nicht stimmte. Ihr Vater überwies ihr monatlich vierhundert Mark. Miete musste sie im Vorwerkstift keine bezahlen. Sie kaufte Klamotten nur auf dem Flohmarkt. Sie trank keinen Alkohol. Sie nahm keine Drogen. Sie hatte keinen Freund, mit dem sie ins Kino oder zum Konzert ging, was Geld kostete. Sie kaufte kein Arbeitsmaterial für ihr Studium. Die Kosten für Toastbrot und Nutella betrugen nicht mehr als einhundert Mark im Monat, vielleicht sogar nur fünfzig. Was weiß ich. Ich vermutete, dass sie zu den Menschen

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