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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
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können.
    Drinnen hatten wir kein Mobiliar. Unsere Bleibe sollte so aussehen, als nutzten wir sie nur temporär zum Arbeiten, da sie ja leer stand. Diese unsichere Wohnsituation beanspruchte mein und Romeks Gemüt. Ich schlief immer sehr schlecht. Romek ging es noch schlimmer. Er hatte nicht nur Angst vor den hohen Decken. Auch die Größe der Räume machte ihn wahnsinnig. Jede Nacht verbarrikadierte er sich in einem Abstellraum, wo wir unser Hab und Gut deponiert hatten. Er wollte so schnell wie möglich weg von da, weg von uns. Er wollte nicht mehr zurück nach Polen. Die Tochter des Taxifahrers hatte bereits einen Neuen. Romek hielt sich für erwachsen und bestand darauf, alleine ausziehen zu wollen, obwohl wir auf eine Wohnung für vier Personen warteten. Er benahm sich wie das allerletzte Arschloch. Er lag den ganzen Tag auf seiner Matratze und stand nur zum Essen auf. Er spielte nicht mit Gina. Abfalltüten wollte er nicht zum Müll runterbringen. Wir zankten uns andauernd. Wir prügelten uns auch hin und wieder. Eines Tages platzte mir der Kragen. Ich hatte genug. Ich schleppte Romek zu der Jugendamt-Tante hin, die damals wegen der Polizeianzeige bei uns vorbeigekommen war. Die Frau saß nutzlos am Tisch und aß ihr drittes Frühstück. Ich erklärte das Problem. Sofort telefonierte sie rum. Nach zwei Stunden hatte Romek eine Wohnung in Billstedt, einen Platz in einer Berufsschule mit Sprachkurs und Schüler-Bafög. Ich unterschrieb alle möglichen Papiere, blieb aber der Vormund von Romek. Auf dem Weg nach Hause machte ich für ihn noch ein Konto bei der Sparkasse auf. Ich kaufte eine Flasche Ketchup und eine Tüte Cayennepfeffer für das Abendessen, das James zum Abschied kochte. Ich deckte auf dem Boden eine Stelle zum Speisen. Romek gammelte schon wieder auf seiner Matratze in der Abstellkammer rum, statt mit anzupacken. Ich schraubte die Ketchupflasche auf. Ich mischte die Tüte Cayennepfeffer in den Ketchup rein. Ich schraubte die Flasche wieder zu. Ich schüttelte sie kräftig, um den Pfeffer zu verteilen. Ich rief Romek zum Essen. James klatschte auf unsere Teller verkochte Spaghetti und eine farblich undefinierbare Soße. Romek griff sofort nach dem Ketchup. Ich sagte, dass er heute gerne diese Flasche leer machen könne. Das tat er auch. Er goss den gesamten Inhalt der Ketchupflasche auf seine Spaghetti. Wir aßen. Ich beobachtete Romek. Er verzog keine Miene. Er tat so, als wäre nichts. Da merkte ich, dass er ein Vollidiot war. Sein dummer Stolz und der sture Machismus widerten mich echt an. Er sollte bloß dahin abhauen, wo der Pfeffer wuchs.
    James fuhr Romek und dessen Krempel inklusive Matratze in die neue Wohnung. Ich kam nicht mit. Gina blieb bei mir. Ich setzte mich an meine Reiseschreibmaschine. Ich überarbeitete das Drehbuch über den Bestatter Grabowski, der die Tragik eines polnischen Emigranten im Westen symbolisierte. Auf einmal hatte ich eine Erleuchtung. Romek galt mir als das Vorbild für den Charakter von Grabowski. Er vegetierte nicht länger auf einem Friedhof, sondern lungerte von nun an ohne Heimat und Liebe im Hamburger Randgebiet rum. Niemand interessierte sich für ihn. Niemand legte Hoffnung in ihn. In dieser Erkenntnis steckte das Potenzial für ein Sozialdrama, und das kam in einem Zeichentrickfilm selten vor.
    Ein paar Tage später erwies sich James aufs Neue als der Meister auf dem Gebiet der Atelierfindung. In der Nähe vom Lerchenfeld spürte er Räume auf, die von der Größe und vom Preis her wie auf uns zugeschnitten waren. Es handelte sich dabei um ein alleinstehendes Gewerbehaus im Hinterhof, zweihundert Quadratmeter groß. Die Miete war lachhaft niedrig. Ich glaubte das alles nicht. Bei der Besichtigung legte ich nur Skepsis und schlechte Laune an den verregneten Tag. Ich schimpfte auf alles. Der Verwalter senkte den Preis noch mal runter. Parallel bot uns das Wohnungsamt eine Neubauklitsche von der SAGA in der Innenstadt an. Wir nahmen beides. In den SAGA -Käfig verfrachtete ich erst mal Romek, damit er zurück in die Stadt kam, weil er mir da draußen doch leidtat. Jetzt musste nur noch die Kohle von der Filmförderung her. Vor mir lag ein Brief von der Treuhand, die mir vorschrieb, dass ich als Produzentin dreißig Prozent der Kosten selber aufbringen sollte. Ich fragte Milena, wie das zu machen wäre. Sie rechnete den Wert meiner Eigenleistungen zusammen, und das waren die dreißig Prozent. So einfach war das. Ich unterschrieb den Vertrag mit der

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