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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
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hatte mir nichts dabei gedacht. Nun leuchtete es mir ein. Er zockte mir die Sterbeurkunde ab, um sich die Kohle von der Versicherung zu holen. Er hatte jeden Tag darum gebettelt. Eklig. Mit diesem Haufen von Betrügern mochte ich nichts mehr zu tun haben. Ich musste gleich weg hier für immer. Von dem Dreckspack wollte ich mich von nun an nur noch fernhalten. In dieser Gegend sollte mich keiner mehr je wiedersehen. In der letzten Minute kam Onkel Marek noch angelaufen: Herzliches Beileid. Ich umarmte ihn flüchtig. Seine Geste bedeutete mir in dem Moment trotzdem etwas. Als Einziger überhaupt traute er sich auf mich zuzugehen. Als Zeuge Jehovas wich er halt von der Norm ab. Er trank keinen Alkohol und rauchte keine Zigaretten. Die Leute hielten ihn für unvollkommen, für behindert, für schwul. Keiner nahm ihn ernst. Dennoch war Onkel Marek viel toleranter als alle anderen. Ich stieg in das Auto von James. Gina kroch zu mir. James setzte sich ans Steuer. Ich schloss die Autotür. Gina winkte Onkel Marek zum Abschied. James donnerte los. Gina schlief sofort ein. Ich betrank mich. Ich betäubte mich. Ich milderte den Schmerz. Ich dämmte den Schock. Ich rettete meine Seele. Ich flickte mein Herz. Ich ordnete die Gefühle. Ich räumte die Gedanken auf. Ich sortierte die Ereignisse.
    Romeks Anruf war genau vor sieben Tagen gekommen.
    - Beata ist tot …
    - Was!? Nein! Du spinnst, was sagst du da!? Nein! Was ist passiert!?
    - Hör mal, ich muss gleich weg, ich kriege sonst den Bus nach Hamburg nicht. Ich erzähle dir alles zu Hause.
    - Sag doch was Zusammenhängendes, ich verstehe nichts, woher weißt du, dass sie tot ist, hast du sie gesehen? Wann ist das passiert?
    - Ja, auf dem Foto, hier waren vorhin zwei Typen von der Kriminalpolizei. Sie haben mir Fotos von Beata gezeigt, sie ist an Silvester aus dem dritten Stock gesprungen, gefallen, man weiß es nicht. Die hatte Streit, Lola, ich muss weg hier, mein Bus fährt gleich. Ich kann hier nicht bleiben. Ich rufe gerade von den Nachbarn an, das wird zu teuer. Ich haue ab. Ich rufe dich heute Abend aus Hamburg an …
    Klick. Romek hatte aufgelegt. Ich zitterte. Ich heulte. Ich fasste es nicht. Ich musste mehr wissen. Ich kannte die Nummer von den Nachbarn nicht. Von welchen Nachbarn aus hatte er eigentlich angerufen? Ich drehte durch. Ich konnte nicht denken. Was war da passiert? Ich hatte Beata noch einen Tag vor Heiligabend gesehen. Da lebte sie doch noch. Hing ihr Tod mit dem Streit zusammen, den wir da hatten? Das war alles so schrecklich.
    Wir wollten Weihnachten bei meiner Mutter verbringen. Sie hatte mittlerweile den zweiten Gehirnschlag erlitten, und es gab keine Aussicht auf Besserung. Wir waren mit dem Auto von James zu viert nach Danzig gedüst, er am Steuer, Gina und Romek hinten und ich auf dem Beifahrersitz. Wir hatten den Wagen voll mit Geschenken gepackt. Für meinen Vater hatte James eine elektrische Tannenbaumkrone in der Spitalerstraße geklaut. Meine Mutter bekam von mir einen sportlichen Rollstuhl aus dem Sortiment für gehbehinderte Squasher. Ich hatte den mit gefälschtem Studentenausweis für einen angeblichen Filmdreh in einem Sanitätsgeschäft ausgeliehen. Außerdem transportierten wir eine Kloschüssel, um die alte, komplett versiffte auszutauschen. Wir wollten bei meinen Eltern übernachten und mussten auch die Toilette benutzen können. Romek meinte, das wäre ein Problem, weil das Klo bei seiner Abreise so abartig gewesen sei, dass ich da sicher nicht rein können würde. Er kannte meine Empfindsamkeit. Ich würde sofort kotzen. Mit keinem Scheuerpulver der Welt würde ich dieses Klo sauber kriegen. Auch die Putzfrauen aus der ›Ata‹-Werbung würden das nicht schaffen. James sagte, kein Problem, auf dem Sperrmüll lägen viele Kloschüsseln. Er bringe eine mit, wenn er das nächste Mal auf der Suche nach Fahrrädern unterwegs sei. Außerdem brachten wir jede Menge Zitrusfrüchte und Süßigkeiten. Andere Lebensmittel sollte Beata vor Ort besorgen. Seit dem Mauerfall und der Auflösung der DeDeEr hatte sich die Versorgung in Polen stabilisiert. Die Lebensmittel wurden nicht mehr rationiert, und die Leute hörten endlich auf damit, alles zu horten wie die Bekloppten. Um ins Land einzureisen, brauchte man kein Visum mehr.
    Beata war bei meinen Eltern vorbeigekommen, um sich die Kohle für den Einkauf zu holen. Sie sah sehr abgemagert und ausgemergelt aus und war total betrunken. Es entfachte sich ein Streit zwischen ihr und meinem Vater,

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