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Haut aus Seide

Titel: Haut aus Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Holly
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und zeigte auf das schwache Leuchten.
    Sein Vater nickte. »Es wird eine Hochzeit stattfinden.«
    »Ja«, erwiderte Simon.
    »Fang bloß den Brautstrauß. Deine Mutter verzeiht es dir niemals, wenn da etwas schiefgeht.«
    »Und das wollen wir ja nicht«, sagte Simon.
    Nachdem sie eine Weile in einvernehmlichem Schweigen dagesessen hatten, stand sein Vater plötzlich auf. »Komm, mein Junge, lass uns zum Altar gehen.«
    Das Hauptschiff war länger, als es eigentlich sein sollte, aber das machte Simon nichts aus. Im Sonnenlicht tanzten Staubpartikel, und die Luft roch nach Orangen und altem Holz. Als er den weichen violetten Läufer unter den Füßen spürte, bemerkte Simon, dass er barfuß war. Das Leuchten des Altars war jetzt so stark, dass es die beiden Männer wie eine Glasglocke einschloss.
    »Sehr schön«, erklärte sein Vater und blickte sich wohlwollend um.
    Simon berührte die Schneeglöckchen, die sich über den Altar ergossen. Ihre Blütenblätter waren feucht und kühl. Jetzt erkannte er auch, dass sie es waren, von denen das Licht ausging. »Ich dachte immer, dass man Schneeglöckchen nicht so lange frisch halten kann.«
    »In dieser Kirche ist das anders«, erklärte sein Vater.
    Plötzlich beschlich Simon eine Vorahnung, und seine Brust zog sich zusammen.

    »Nein«, sagte er instinktiv.
    Doch sein Vater lächelte ihn nur an, die Fältchen in seinem Gesicht silbern vom Schein der Blüten. »Pass gut auf deine Mutter auf. Und denk daran, dass ich dich immer lieb haben werde.«
    Simon schreckte mit feuchten Wangen in seinem Hotelbett hoch. Er wischte sie mit den Handflächen ab und versuchte, wieder regelmäßig zu atmen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen. Verstört fasste er neben sich auf die Seite des Bettes, wo Lela liegen würde, wenn sie mitgekommen wäre – wenn er den Mut gehabt hätte, sie darum zu bitten. Doch das Laken war kalt und glatt. Sein Blick wanderte vom Telefon hin zum Wecker. Nachdem er kurz nachgerechnet hatte, befand er, dass es viel zu spät wäre, um jetzt in New York anzurufen.
    Nach dem heutigen Meeting würde Simon sofort seinen Vater anrufen. Und sich bei Lela melden. Ein Traum war nur ein Traum, aber wenn sein Unterbewusstsein ihm schon etwas mitteilte, wäre es nur dumm, sich taub zu stellen.
     
    Simon und sein Team wurden von einer immer noch missbilligenden Sekretärin in das prächtige Konferenzzimmer geführt, in dem sie bereits gestern gesessen hatten. Nachdem man ihnen Kaffee und Croissants angeboten hatte, blieben die Männer allein zurück, um das überwältigende Dekor zu bewundern. Simon lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete die vergoldete Decke. Normalerweise genoss er es sehr, ein Geschäft abzuschließen, doch heute wollte er es möglichst schnell hinter sich bringen. Heute wollte er möglichst schnell nach Hause.

    Philip und seine Stieftochter waren die Letzten, die eintrafen. Als Simon sah, wer sie begleitete, drehte sich ihm förmlich der Magen um. Lela . Lela war hier.
    Lela wusste Bescheid.
    Mistkerl, schien ihr verächtliches Starren zu sagen.
    Simon musste sich stark zusammenreißen, um dem Impuls zu widerstehen, alle möglichen Unschuldsbeteuerungen in den Raum zu werfen. Er hatte nicht getan, was sie von ihm dachte. Er hatte sie nicht benutzt, um ihre Freunde zu verraten. Er hatte ihren Freunden ja nicht mal irgendwelchen Schaden zugefügt. Durch seine Hilfe würde Meilleurs Amis viel besser dastehen als zuvor. Durch seine Hilfe war es überhaupt erst möglich geworden, Meilleurs Amis zu retten.
    Doch da der Konferenztisch mit Buchhaltern und Anwälten besetzt war, konnte er seine flehentlichen Bitten nur mit den Augen aussenden. Lelas einzige Reaktion war ein finsteres Zusammenziehen ihrer Augenbrauen. Sie nahm neben Philip und Bea Platz – so weit wie möglich von ihm entfernt. Als sie ihre geschmeidigen Arme vor der Brust verschränkte, war Simon klar, was sie ihm mitteilen wollte: Ich bin auf ihrer Seite, und du kannst zur Hölle fahren!
    Mit einem einzelnen, unfreiwilligen Atemzug brach seine lebenslang antrainierte Kontrolle und Vorsicht plötzlich in sich zusammen. »Lela«, sagte er in den Raum hinein. Der Klang seiner wunden, schutzlosen Stimme ließ alle Anwesenden neugierig aufschauen. Alle Anwesenden außer Lela.
    »Verzeihen Sie mir«, brach es aus ihm hervor, viel zu nervös, um seine Worte abzuwägen, »ich will die abschließenden Verhandlungen nicht unterbrechen. Miss
Turner und ich kennen uns, und ich muss kurz

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