Haut aus Seide
gegen die Wand gelehnt in sich zusammen. Zwei verschwitzte, keuchende Fremde, die gerade den Fick ihres Lebens hinter sich gebracht hatten.
Die Frau strich ihm über den Nacken, während Philip um Fassung rang. Ihre Nägel waren unpassend lang.
»Nicht, dass es mich gestört hat«, begann sie, »besonders nicht nach dieser Vorstellung – aber wer, zum Teufel, ist Bea?«
O Gott , dachte Philip und legte einen Arm vor die Augen.
Béatrix lag allein im Bett.
Und irgendjemand briet Speck.
Ihr Gesicht wurde von einem quadratischen Sonnenfleck gewärmt, der den gelb-rosa Chintz ihres Bettzeugs fast in Brand setzte. Sie rieb sich die Nase und schloss die Augen. Noch immer konnte sie den Fluss aus ihrem Traum sehen. Nein, kein Fluss, eher ein Kanal mit einem verwilderten Trampelpfad und tiefen, grünen Wäldern dahinter. Das Ufer war von Gräsern überwuchert. Wildblumen. Libellen. Bea ließ die Gedanken schweifen. Über dem trüben Wasser lag ein grün-goldener Nebel – teilweise Staub, teilweise Sonnenschein, teilweise Essenz des Sommers.
Ich brauche dringend mein Skizzenbuch, dachte sie. Und meine Farben.
Die Augen noch leicht verklebt vom Schlaf, stand sie schließlich auf. Sie wühlte in ihrer Nachttischschublade und fand ein Stück Kohle, aber keinen Block. Nach einem kurzen Gang ins Badezimmer waren die Augen zwar wieder klar, der Kopf aber immer noch leicht benebelt. Das geschah allerdings mit voller Absicht. Das Bild war in ihrem Kopf, und sie durfte nicht zulassen, dass andere Gedanken sich dazugesellten.
Ohne Lelas Gruß zu erwidern, ging Bea an der Küche
vorbei. Wo war bloß ihr Skizzenblock? Sie fand ihn schließlich zusammen mit den Malutensilien in der altmodischen Vorratskammer neben ihrer nie benutzten Pfanne. Wie waren die Sachen dort nur gelandet? Doch da das Licht in der Vorratskammer gut war – eine nackte, helle Glühbirne und ein Fenster -, setzte sie sich kurzerhand auf den Fußboden.
Nur die Umrisse, sagte sie sich, und ein paar Farbkleckse, aber sie vergaß sich minutenlang völlig. Die Komposition entstand unter dem Klappern von Tellern und dem Zischen des Specks in der Pfanne. Bea konnte das einfache, abgenutzte Kleid des Mädchens förmlich vor sich sehen. Blau. Sie wusste, es war blau mit weißem Pointelle-Muster. Die Szene war auf die Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg angelegt. Béatrix setzte einen Besuch im Musée de la Mode auf ihre innere To-do-Liste, um sich dort ein Bild von dem Kleidungsstil dieser Zeit zu machen. Um die Augen des Mädchens würden Schatten der Verlorenheit zu sehen sein, die auch ihre milchblassen Wangen ausgemergelter wirken ließen. Sie wäre zu jung, um auf solche Gewaltorgien vorbereitet zu sein, aber zu alt, um sie noch vergessen zu können. Doch sie würde ihren kleinen Bruder anlächeln – ein Zeichen dafür, wie stark sie war -, und man würde wissen, dass ihre Familie nicht sterben musste.
Bea kritzelte wie besessen. Die Kohle ließ geisterhafte Formen auf dem Papier erstehen, und die Farben dazwischen vermischten sich, bis irgendwann ein Nachbild der Szenerie in ihrem Kopf auf dem Blatt lebendig wurde. Doch sie fand noch nicht den rechten Gesichtsausdruck, den sie sich für den Jungen vorstellte. Vielleicht würden sie heute Nachmittag ein wenig in den
Tuilerien spazieren gehen und den Kindern beim Spielen zuschauen.
Béatrix nahm ein neues Blatt, um es noch ein letztes Mal mit dem Gesicht des Jungen zu probieren, doch schon bald merkte sie, dass ihr Ausbruch an Inspiration versiegt war. Der Boden war hart, ihre Beine schon ganz taub, und sie war sehr unhöflich zu ihren Gästen – auch wenn Lela es durchaus gewohnt war, dass die Freundin sich ab und zu in Luft auflöste. Jetzt, wo Bea sich von ihrer kreativen Absenz erholt hatte, hörte sie auch die Stimmen der beiden aus der Küche dringen. Sie aßen etwas – sehr schlau -, hatten aber ganz offensichtlich keine Ahnung, in welcher Nähe sich ihre Gastgeberin befand.
»Die beiden sind total heiß aufeinander«, sagte Andrew mit vollem Mund. »Wenn sie und Philip noch röter geworden wären, hätte ich nach einem Schlauch zum Abkühlen gesucht.«
»Das ist doch nichts Neues«, seufzte Lela. »Zumindest nicht von ihr. Was mit ihm los ist, weiß ich allerdings nicht. Wahrscheinlich hat ihn das Geiler-Witwer-Syndrom gepackt. Vor seiner Ehe war er ein ziemlicher Frauenheld.«
» Non« , entgegnete Andrew. Sein Französisch klang zwar seltsam, was aus seinem amerikanischen Mund
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