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Haut aus Seide

Titel: Haut aus Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Holly
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und bohrte seinem Gegenüber den Zeigefinger in die Brust. »Von jetzt an halten Sie sich da raus!«
    Andrew hob abwehrend beide Hände. »Ja, Sir. Etwas anderes würde mir auch im Traum nicht einfallen.«
    »Nennen Sie mich nicht ›Sir‹«, knurrte Simon. Jeder nannte ihn »Sir«, und langsam war er es leid. Außerdem wollte Andrew ihn damit sowieso nur aufziehen.
    Simon tat so, als überhöre er das leise Kichern, das Andrew beim Verlassen des Raumes von sich gab.
    Das Telefon klingelte um halb sieben. Simon nahm den Hörer ab, hielt ihn sich aber noch einen kurzen Moment vor die Brust.
    Beruhig dich , schalt er sich selbst. Du bist keine sechzehn mehr.
    Er meldete sich geschäftig, wurde aber sofort rot, als er ihre Stimme am anderen Ende der Leitung hörte. Der
Klang war auf seltsame Weise beruhigend: sonor und voller Lachen. Lela willigte ein, mit ihm zu Abend zu essen. Aber sie wollte nicht im Lutèce oder im Palm oder sonst einem Restaurant in Little Italy essen gehen.
    »Ich werde für dich kochen«, erklärte sie.
    Seine Augen brannten vor unerwarteter Freude. Sie wollte für ihn kochen!
    »Das wäre sehr nett«, erwiderte er.
    »Nett oder nicht, ich will einfach, dass unsere kleine Verhandlung auf meinem Terrain stattfindet.«
    »Wir verhandeln also?«
    Sie lachte und gab ihm die Adresse durch. »Komm doch so gegen acht, Großer. Und lass den Anzug zu Hause.«
     
    Simon war nicht vieles fremd, aber das Viertel, in dem Lela wohnte, schockierte ihn dennoch. Der Bürgersteig war von Unkraut geradezu überwuchert, und im Rinnstein lagen Kondome und Crackfläschchen. Das eigentliche Wohnhaus war überaus schäbig. Ein großer Klotz aus fleckigen braunen Steinen, bei dem es sich scheinbar um ein altes Lagerhaus handelte. Irgendjemand hatte sich irgendwann einmal große Mühe mit dem Haus gegeben. Es hatte ziselierte, gusseiserne Sprossenfenster, es gab falsche korinthische Säulen, und die Fensterbögen waren mit in Stein gehauenen Eichenlaubranken verziert. Zum Glück hatte wenigstens die allgegenwärtige Sanierungswut diesen Block noch nicht erreicht. Offensichtlich um ihr Territorium zu markieren, hatten Jugendliche die marode Eingangstreppe über und über mit Graffiti beschmiert. Und die Überwachungskamera, die versteckt über der Tür auf ihn lauerte, hatte einen Y-förmigen Riss im Objektiv.

    Ich muss sie unbedingt von hier wegschaffen , dachte Simon, fragte sich gleichzeitig aber auch, ob sie das überhaupt zulassen würde. Er preschte viel zu schnell voran – schließlich mussten sie beide zunächst einmal ihr erstes Date überstehen. Und eigentlich wusste er nicht, ob das Ganze überhaupt ein richtiges Date war. Sie hatte es »Verhandlung« genannt. Mit einem Seufzen strich Simon über seine lässige Khakihose, von der er schon jetzt nicht mehr sicher war, ob er sie hätte anziehen sollen. Er las die Namen, die neben den Klingeln standen. Ihm wäre viel wohler gewesen, wenn sie sich in einem netten Restaurant getroffen hätten. Aber genau das war der Grund, weshalb Lela ihre Wohnung als Treffpunkt vorgeschlagen hatte.
    Zu Simons Erleichterung öffnete sie sofort die Tür, als er auf den Klingelknopf neben dem Namenszug L. TURNER drückte.
    Die Worte über die Gegensprechanlage waren kurz und geschäftsmäßig, aber wenigstens kannte er jetzt ihren Nachnamen. Er durchquerte die Eingangshalle des Gebäudes, bis er schließlich an einen altmodischen Lastenaufzug gelangte. Nachdem er den ungewohnten Mechanismus des Lifts dazu gebracht hatte, ihn nach oben zu befördern, sah er Lela auch schon in der Eingangstür zu ihrer Wohnung stehen. Sie trug ein einteiliges Baumwollkleid in leuchtendem Türkis, das sie praktisch von Kopf bis Fuß bedeckte. Ein Outfit, das nur deshalb sexy wirkte, weil sie es trug. Und interessanterweise wurde sein Interesse an ihr auch dadurch nicht getrübt, dass sie einen Kochlöffel und Topflappen in den Händen hielt. Sein eben noch halbsteifer Schwanz wurde in Sekundenschnelle steinhart. Simon tat so, als schüttle er seine Hosenbeine
aus. Sie musste ja nicht unbedingt schon beim Betreten der Wohnung wissen, wie sehr er sie begehrte. Er riskierte einen kurzen Blick auf ihr Gesicht. Keine Spur von ihrer kleinen, verführerischen Brille. Aber wenn er bedachte, welche Wirkung sie schon in der Boutique auf ihn gehabt hatte, konnte Simon eigentlich dankbar dafür sein, dass Lela sie heute Abend nicht trug.
    »Entschuldige wegen des Fahrstuhls«, sagte sie. »Ich hätte dich warnen

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