Haut aus Seide
sollen.« Dann bemerkte sie den Strauß kleiner gelber Rosen in seiner Hand. »Moment, ich hol gleich eine Vase.«
Er folgte ihr in eine große, luftige Wohnung. Der Raum war weit und offen. Die hohe Decke wurde von taubengrauen Gusseisensäulen gestützt, und der Betonfußboden war mit abgenutzten, aber schönen Teppichen bedeckt. Viele Möbel hatte sie nicht: eine Couch, ein paar Stühle und Tische, eine exzentrische Ansammlung von Lampen und ein frei stehendes Bett. Die aus Steinen und Holzlatten gebastelten Bücherregale quollen nur so über vor Krimis und Reiseführern. Viele übergroße Bildbände, deren zerfledderte Einbände darauf schließen lie ßen, dass sie gebraucht gekauft worden waren. Das größte Buch, ein echtes Monstrum, war ein Bildband über den Louvre. Zweifellos ein Geschenk , dachte er, denn es war eines der wenigen Bücher in tadellosem Zustand. Als er sich wieder umdrehte, fiel ihm die Farbgestaltung des Raumes auf. Die Töne waren unaufdringlich, aber warm: Pfirsich und Gold, Mahagoni und Creme – Farben, die ausgesprochen gut zu dem Duft von gebratenem Knoblauch passten.
»Es gibt Spaghetti«, erklärte sie und verschwand hinter einer Wand, die die Küche verbarg. »Normalerweise
mache ich ja Lasagne, wenn ich einen Mann beeindrucken will. Aber dann würden wir wohl erst gegen Mitternacht zum Essen kommen.«
Simon war nicht sicher, ob er ihr folgen sollte, blieb also vorsichtshalber dort, wo er stand.
Auf dem Wohnzimmertisch lag ein ganzer Haufen Ausgaben der französischen Vogue. Ob sie Französisch konnte? Ob sie französisch mochte? Allein die Möglichkeit ließ eine schwallartige Wärme in seine Lenden fahren. Simon musste sich ablenken. Auf ihrem Fernseher stand ein durchsichtiger Plastikkopf, in dessen Innerem der Querschnitt eines menschlichen Gehirns zu sehen war. Vielleicht eine Ermahnung, nicht zu viel Fernsehen zu schauen? Oder ein Geschenk von einem medizinisch bewanderten Gespielen? Wenn das der Fall wäre, wollte Simon gar nichts weiter darüber wissen. Er wollte grundsätzlich nichts von den ehemaligen Partnern seiner Geliebten wissen. Außer natürlich das Nötigste.
Der Anblick des farblich abgesetzten Gehirns ließ ihn die Stirn runzeln. Seine abwehrende Haltung bezüglich Lelas Vergangenheit hatte nichts mit Gleichgültigkeit zu tun. Nein, er war einfach zu besitzergreifend und wollte sie zu sehr. Wenn er nicht achtgab, würden sich all seine tollen Geschäftstricks in Rauch auflösen. Sei leidenschaftlich , hatte sein Vater ihm immer geraten, aber behalt einen kühlen Kopf. Nur so verschaffst du dir einen Vorteil gegenüber den anderen Kerlen.
Mit einer reuigen Grimasse ging Simon auf eine Wand voller Schwarz-Weiß-Fotos zu. Auf den meisten Bildern war dasselbe rundliche Mädchen mit gelockten Haaren zu sehen. Sie hatte Wangenknochen wie Maurerkellen, und das ganze Gesicht glich dem eines Renaissanceengels.
»Wer ist denn das Mädchen auf all den Bildern?«
Lela streckte den Kopf aus der Küche. »Das ist Bea, die Malerin. Meine falsche Schwester.«
»Wer hat die Fotos gemacht?«
»Mein Freund, als wir noch auf dem College waren.«
Simon verzog die Nase. Das war eine Gesprächsrichtung, die er eindeutig nicht einschlagen wollte. Er wartete, bis sie Wasser in einen Topf gefüllt hatte. »Hast du auch eine richtige Schwester?«
»Was?«
»Du hast gesagt, Bea wäre deine falsche Schwester. Hast du auch eine richtige?«
Schweigen war die einzige Antwort. Simon wusste, dass Lela ganz sicher nicht plötzlich taub geworden war, also folgte er seiner Nase in Richtung Herd, wo seine Gastgeberin gerade das Fleisch mit der Tomatensauce vermengte.
»Unter der Spüle ist eine Vase«, teilte sie ihm mit.
Simon bückte sich, um die Schranktür zu öffnen. Scheinbar bekam Lela durchaus häufiger Blumen, denn sie hatte eine ziemlich große Sammlung Vasen. Er füllte eines der schlichteren Exemplare mit Wasser aus dem quietschenden Hahn und stellte seinen Strauß hinein. Innerlich versuchte er, sich nicht allzu sehr davon beeinflussen zu lassen, dass Lela sich nicht für die Blumen bedankt hatte. Vielleicht waren Blumen ja auch unpassend für den Anlass des Abends, dessen Ausgang er noch gar nicht kannte.
Als ihm keine Gesprächsthemen einfallen wollten, lehnte er sich gegen den Küchentresen und sah seiner Gastgeberin beim Arbeiten zu. Sie schien geübt im Kochen
zu sein. Was das Kochen anging, war Simon gerade mal in der Lage, eine Konservendose zu öffnen, aber das
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