Haut, so weiß wie Schnee
an der Seite etwas offen.«
»Aha.«
»Außerdem hab ich einen Hosenrock an«, sagte Jette.
Jonah sagte nichts.
»Ich hasse Hosenröcke«, brach es aus ihr heraus.
»Was ein echter Folterknecht ist …«, flapste Jonah. »Wahrscheinlich hat Wim Tanner tagelang nichts anderes getan, als einen Hosenrock für dich zu suchen.«
Die Tür des Führerhäuschens der Hebebühne wurde geöffnet. Dann zugeschlagen. Jette spürte, wie sie sich verkrampfte. Locker bleiben, murmelte sie. Aber sie konnte es nicht vermeiden, dass sie dachte: Sie kommen .
»Der Hosenrock hat nicht mal einen Knopf«, sagte sie laut.
»Sondern?«
»Einen Klettverschluss!!«
Der Motor wurde angelassen. Er knatterte. Dann eine Pause. Jetzt setzte der Motorenlärm ein. Und wenn er kam, um seine Drohung wahr zu machen? Hatten sie ihren genetischen Code wirklich schon entschlüsselt? Was hatten sie mit ihr vor? Ob sie ihr etwas antun würden? Jettes Kehle war wie zugeschnürt. Sie blickte zu Jonah. Der warf gerade verzweifelt die Arme in die Höhe und rief mit lauter Stimme: »Diese Grausamkeit! Ein Klettverschluss!« Dann ließ er seine Hände wieder sinken und riss sich mit einer theatralischen Geste den Knopf an seiner Hose ab. »Hier, nimm dies!«, sagte er und überreichte ihr feierlich einen silbern blinkenden Knopf.
Klack, klack, klack.
Jette ging auf Jonahs Spiel ein. Er hatte wirklich gute Nerven. Auch er musste nervös sein, aber ihm war überhaupt nichts anzumerken. Sie waren zwar gefangen, aber in diesem Moment auch frei – zumindest auf eine gewisse Weise, denn niemand konnte ihnen vorschreiben, was und wann sie spielten. Sie senkte huldvoll ihren Kopf. »Habt Dank«, sagte sie, begutachtete den Knopf gründlich von allen Seiten und ließ ihn in der Tasche ihres Hosenrocks verschwinden. Ihr Herz klopfte. Gleich würde sie die Entführer angreifen.
»Ich sehe neues Ungemach!«, warnte Jonah und hob seinen Kopf gen Himmel. »Wim Tanner naht. Er hat neue Folterwerkzeuge dabei. Furchtbare Dinge!«
Die Hebebühne setzte an.
»Was ist es?«, wollte Jette wissen. Sie lachte. Es war ein gepresstes, jedoch dankbares Lachen. »Sagt schnell.«
»Ein Kleid mit riesigen Blumen und weißem Spitzenkragen und vorn mit einer weißen Schleife. Natürlich eine Nummer zu klein. Und es riecht nach Mottenkugeln. Und …«
Wim Tanner sprang auf die Plattform und kam mit schnellen Schritten auf sie zu. Er hatte sich nicht mehr die Mühe gemacht, eine Maske überzuziehen. »Ins Verlies!«, brüllte er. Sein Begleiter kam hinter ihm her. Jette stellte sich das altbackene Spitzenkleid in seinen Armen vor, und da wirkte Wim Tanner gar nicht mehr so bedrohlich. Sie fühlte sich auf einmal sehr stark.
»Viel Glück«, sagte Jonah leise.
Wim Tanner nahm die Fernbedienung in die Hand. Jette stellte sich neben ihn. Er warf ihr einen irritierten Blick zu, ließ sich aber nicht weiter stören. Ohne die Tastatur mit den Händen abzudecken, gab er den Befehl zum Öffnen der Tür ein. Er drückte auf eine einzige Taste. Jette konnte es genau sehen. Sie trug das Zeichen ➡ . Dann schwang die Tür auf. Wim Tanner steckte die Fernbedienung wieder ein. Vordere Hosentasche rechts, registrierte Jette.
Sie nahm die kleine Lampe vom Tisch und krabbelte durch die niedrige Tür in das Verlies. Die Luft im Innern war kühl, aber abgestanden. Der Ventilator lief. Von draußen fiel ein schwacher Lichtstrahl herein. »Schneller, schneller!«, drängte Wim Tanner, ohne selbst beim Hereintragen der Sachen zu helfen. Jonah reichte Jette die beiden Isomatten. Sie legte sie in die Ecke des Verlieses, wo die Steckdose war. Das Licht reichte gerade aus. Dann stellte sie die kleine Lampe auf die Isomatte, stöpselte den Ventilator aus und die Lampe ein.
Die Lampe sah aus wie immer. Geradezu unschuldig, fand Jette. Dabei musste sie jetzt unter Strom stehen. Und zwar das gesamte Gehäuse. Sie hatte gut aufgepasst, die Lampe nicht mehr zu berühren, nachdem sie den Stecker eingesteckt hatte. Es war Jonahs Idee gewesen, die Lampe zu manipulieren, und sie hatten sie am Nachmittag in die Tat umgesetzt. Er hatte sich an eine Passage erinnert, die Jetteihm aus dem Elektrizitätsbuch vorgelesen hatte. Mit dem Wissen aus dem Buch hatten sie die Lampe tatsächlich umbauen können. Hoffentlich hatten sie alles richtig gemacht. Es war kompliziert gewesen. Jette hatte sich zunächst aus einem Draht von der Chemietoilette eine Art Schraubenzieher gebastelt und die Lampe aufgeschraubt. Dann hatte
Weitere Kostenlose Bücher