Haut, so weiß wie Schnee
geholfen. In den folgenden Tagen hatte er ein Täterprofil von Wim Tanner erstellt. Und mit Hilfe von Charlie hatte er mehrere Lehrbücher über Ermittlungsarbeit gelesen und zahlreiche Fachartikel durchgearbeitet. Sie hatten nicht vor, sich nur auf die Polizei zu verlassen, und sich daher so viel Wissen wie möglich angeeignet. Was immer sie selbst leisten konnten, mussten sie tun. Darüber hinaus ging es aber auch darum, der Polizei klarzumachen, dass sie ihr Vorgehen sorgfältig verfolgten. Jonah hoffte,dass die Polizei dann besonders gründlich ermitteln würde. Vielleicht war das aber auch gar nicht mehr nötig. Es gab inzwischen ein neues Ermittlungsteam, das mit Hochdruck nach Jette suchte.
Was ihr eigenes »Ermittlungsteam« betraf, hatte Jonah jeden an der Stelle eingesetzt, wo er am nützlichsten war. Dukie hörte natürlich wieder die Villa ab. Allerdings hatte er damit bisher keinen Erfolg gehabt. Auf den Bändern war entweder gar nichts drauf gewesen oder nur Rauschen. Sehr ärgerlich war, dass Dukie die alten Bänder in der Villa zurückgelassen hatte und Dr. Saalfeld sie offenbar weggeschafft hatte. Womöglich hätte irgendein Tontechniker doch noch eines der alten Gespräche retten können. Nun waren die Beweise verschwunden.
Klara hatte die Aufgabe, sie mit allen erdenklichen Informationen aus dem Polizeipräsidium zu versorgen. Sie ließ sich fast täglich unter irgendwelchen Vorwänden Termine bei den ermittelnden Kommissaren geben, dehnte diese bis ins Unermessliche aus und sog in dieser Zeit alles, was sie aufschnappen konnte, in sich auf. Sie hatte auch keine Probleme mehr damit, vorgelassen zu werden. Seitdem der Polizeipräsident einen Rüffel vom Oberbürgermeister erhalten hatte, weil seine Leute den Ernst der Lage zu spät erkannt hatten, wurden potenzielle Zeugen geradezu hofiert.
Charlie, die Vierte im Bunde, war wie von Geisterhand sowieso immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und dann gab es seit Neuestem noch Benno Krawtschik, den Aufzugführer von Stayermed. Bis vor Kurzem hatte er den Vorstandsfahrstuhl bedient, war dann aber zum Kantinenaufzug strafversetzt worden. Benno Krawtschik hatte ihnen angeboten, sich mit seinem unerschöpflichen Krimiwissen nützlich zu machen. Einmal am Tag meldete er sich telefonisch, fragte nach dem neuesten Stand und besprach mitihnen das weitere Vorgehen. Während Jonah die Telefonate anfangs als Zeitverschwendung empfand, wusste er sie inzwischen zu schätzen. Benno Krawtschik hatte exzellente Antennen für alles Auffällige und wusste erstaunlich gut über neue kriminaltechnische Errungenschaften Bescheid. Und auch ansonsten hatte er von vielen Dingen Ahnung. Er war es, der ihm erklärt hatte, warum das mit dem Strom im Tropenhaus nicht funktioniert hatte. »Noch nie was von Überspannungsschutz gehört?« Das Elektrikbuch war einfach zu alt gewesen.
Es gab nur eine Sache, über die Jonah mit niemandem sprach, während er Jette fieberhaft suchte: Er hatte nicht den Eindruck, dass es seine eigene Kraft war, die ihn antrieb. Die war vor langer Zeit unter einem Lastwagen geblieben. Jette war wie ein Komet in sein Leben gerast und riss ihn mit sich fort. Er bewegte sich in ihrem Kraftfeld, folgte ihrer Bahn. Manchmal kam er sich wie ein blinder Himmelsstern vor, der unversehens in das Energiefeld eines mächtigen Kometen geraten war und nun durchs Weltall geschleudert wurde.
»Am interessantesten ist vielleicht, dass diese Carmen ihre Aussage bei der Polizei zurückgezogen hat«, sagte Klara.
»Weiß ich schon«, antwortete Jonah schroff. »Brauchen wir nicht drüber zu reden.« Er spürte regelrecht, wie sich auf den Gesichtern der Mädchen Fragezeichen bildeten. »Sie hat mich angerufen und es mir erzählt.« Er hatte keine Lust, näher darauf einzugehen. Carmen! Ihm war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr er sie gemocht hatte. Sie hatte sich bei ihm entschuldigt, aber er hatte ihr gesagt, sie solle sich zum Teufel scheren. Sie hatte ihm trotzdem von ihrem nichtsnutzigen Freund erzählt, der vor vielen Jahren einmal Geld bei Stayermed unterschlagen hatte und nur deshalb nicht aufgeflogen war, weil Dr. Saalfeld die Sache vertuschthatte. Saalfeld habe sie erpresst, und was sie denn hätte tun sollen, heulte sie. Ihr Freund habe doch schon öfter im Gefängnis gesessen und würde es dort keinen weiteren Tag aushalten. Dr. Saalfeld hätte ihn wegen der Sache von damals doch noch angezeigt, wenn sie nicht … Und außerdem habe Dr. Saalfeld ihr
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