Haut
weiß, was Sie fragen wollen, und Sie wissen, was ich darauf antworten werde...«
»Dass alles in Ihrem Bericht steht? Dass ich ihn hätte lesen sollen?«
»Haben Sie ihn gelesen?«
»Wir reden seit zwei Tagen über nichts anderes. Da müssen Sie doch irgendwann daran gedacht haben, etwas zu sagen.«
»Ich habe gefragt, ob Sie meinen Bericht gelesen haben.«
»Sie hätten es mir sagen können. Das ist alles. Sie hätten etwas sagen können.«
»Ich hätte Ihnen vieles sagen können.« Sie warf den Tennisball weg, und der Setter jagte durch das Gras hinterher. »Ich hätte Ihnen sagen können, dass sie sich die Rippen gebrochen hat, als sie - was weiß ich - ungefähr zwölf war. Oder dass sie schlechte Zähne hatte: vier Kronen und fünf Wurzelbehandlungen. Ich hätte Ihnen sagen können, welche Farbe der Nagellack an ihren Zehen hatte und welche BH-Marke sie trug. Nichts davon kam mir relevant vor; deshalb hab ich es in den Bericht geschrieben und nicht mit Ihnen darüber gesprochen. Einen zwei Jahre alten kosmetischen Eingriff, der nichts mit der Todesursache zu tun hat, hebe ich nicht besonders hervor. Meine Aufgabe ist es, die Todesursache zu ermitteln, nicht das Tun und Lassen ante mortem, schon gar nicht, wenn es zwei Jahre zurückliegt.« Sie pfiff dem Hund und winkte ihn zurück. »Für diesen Teil, das muss ich leider sagen...«
Caffery seufzte. »Ja, ja. Ich weiß schon.« Er drückte die Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger aus und legte sie in seinen Tabaksbeutel.
Für diesen Teil war er zuständig.
53
»Ich werde hier einen Schnitt machen - durch Ihre Kaiserschnittnarbe -, und dann diese Partie zurückziehen.«
Ruth sitzt in BH und Unterhose auf dem Untersuchungstisch. Ihre Füße in den hochhackigen Schuhen ruhen leicht auf der Papierunterlage, damit sie sie nicht zerreißt und das Leder darunter verkratzt. Der Raum ist hell beleuchtet und luftig; an den holzgetäfelten Wänden hängen die gerahmten Urkunden des Chirurgen. Draußen mäht ein Gärtner den Rasen. Kein Zweifel, diese Klinik ist Spitzenklasse. Kein Laden von der Sorte, die Vorkasse verlangt.
»Wir müssen die Muskeln darunter freilegen.« Der Chirurg hebt die Haut an ihrem Bauch an. »Dann ziehe ich sie so zusammen und entferne hier ein bisschen Fett und Haut. Wenn Sie aufwachen, werden Sie zwei Drainagen haben - eine auf jeder Seite. Aber nur für die ersten achtundvierzig Stunden. Bei einer Bauchstraffung kann dieser Muskel hier, der Rectus abdominis« - er gleitet mit dem Finger über ihren Bauch - »nachher etwas wehtun. Vielleicht wird Ihnen auch ein wenig übel; deshalb werde ich hier injizieren, während Sie schlafen. Okay?«
»Okay.«
»Sie wissen, dass es ein bisschen ungemütlich sein wird?«
Ein bisschen ungemütlich? Hier? In Rothersfield mit seiner eleganten Parkanlage und den Pagen mit ihren schicken kleinen Käppis? Mit Satellitenfernsehen in allen Zimmern und Champagnercocktails auf der Speisekarte, sobald es einem wieder halbwegs gut ging? Damit kann sie leben. Sie zieht ihr T-Shirt an, während er sich Spirigel auf die Hände spritzt, sie an einem gestärkten Handtuch abwischt und zu seinem großen, lederbezogenen Schreibtisch zurückkehrt. Gut sieht er nicht aus. Eigentlich nicht. Aber wahrscheinlich schwimmt er im Geld. Genau der Typ, den sie braucht.
Er schlägt ihre Akte auf und schreibt ein paar Worte mit einem kratzenden Montblanc hinein. Malt Kreise auf dem Bauch einer schematisch dargestellten Gestalt. Holt ein rosafarbenes Blatt Papier hervor und fängt an, Kästchen auszufüllen.
»Rauchen Sie?«
Ruth windet sich in ihren Rock. »Nein.«
»Trinken Sie?«
»Nur, wenn Sie mittrinken.«
Er lächelt gequält. »Wie viele Einheiten trinken Sie pro Woche?«
»Ich weiß nicht. Ich bin Gelegenheitstrinkerin.«
»Also zwischen zehn und einundzwanzig Drinks pro Woche?«
»Das wird hinkommen.«
»Leben Sie allein?«
»Das klingt, als wollten Sie mit mir ausgehen.«
»Die Frage ist ernst gemeint. Wir müssen wissen, ob sich jemand um Sie kümmern kann, wenn Sie aus der Klinik entlassen werden.«
»Ja. Ich meine - ja, ich lebe allein. Aber wenn nötig könnte mein Sohn kommen. Das würde er gern tun.« Sie knöpft ihren Rock zu. Der Kerl mag steinreich sein, aber Humor hat er nicht. Sie rutscht von dem Tisch herunter, nimmt ihm gegenüber Platz, schlägt die Beine übereinander und spannt die Muskeln an, damit ihre Waden gut aussehen.
»Meine, äh, Nichte arbeitet hier. Sie hat Sie
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