Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
Vom Netzwerk:
Mädchen taten, was Männer wie er taten. Irgendwie fühlte es sich schlimmer an. Im Winter war es okay, im Dunkeln zu leben, seine aufgeschürfte Haut zu bedecken und einander niemals in die Augen zu schauen.
    Im Sommer war es wie eine Beleidigung.
     

24
    Caffery wusste nicht, ob er in Bristol bleiben wollte. Die Befreiung von dem, was ihn jahrelang an London gefesselt hatte - Penderecki, der Pädophile, der seinen Bruder Ewan ermordet hatte -, hatte ihm keine Ruhe gebracht, sondern ihn treiben lassen wie ein Boot ohne Anker. Er hatte sein Haus in Brockley verkauft und war in den Westen gezogen - mit einem aufgeblähten Bankkonto und ohne das Verlangen, Wurzeln zu schlagen. Er hatte eine Hausvermietungsfirma aufgesucht und die Kaution für das erstbeste Haus gezahlt, in das er sofort einziehen konnte, ohne auch nur ein Bild davon gesehen zu haben. Wie sich zeigte, war es ein kleines, steingemauertes Cottage in Sichtweite der alten, einsamen Priddy Circles.
    Priddy war ein seltsamer Ort inmitten der feuchten Mendip Hills, eine unbewohnte, trostlose Gegend, übersät von Bleibergwerken, Sinklöchern und voller Legenden. Die Einheimischen schworen, Jesus selbst habe die jungsteinzeitlichen Steinkreise einmal besucht. Über das Meer, das es hier einst gegeben hatte, sei er mit einem flachen Boot von Glastonbury heraufgekommen, sagten sie, und stolz habe er im Bug gestanden. Einer seiner Anhänger Joseph von Arimathia, habe im Heck gesessen. Und wer wollte behaupten, dass es nicht stimmte? »So sicher, wie der Herr einst in Priddy wandelte« - erst vor zwei Tagen hatte Caffery diesen Satz von einer Frau im örtlichen Zeitungsladen gehört, und ebenso gut hätte sie fragen können: »Ist der Papst katholisch?«
    Caffery hatte sich hier nicht eingerichtet. Die Zimmer waren zu klein, und morgens musste er sich bücken, um aus seinem Schlafzimmerfenster zu schauen - so tief war es in die Wand eingelassen. Das riedgedeckte Dach sah aus der Ferne aus wie das Bild auf einer Pralinenschachtel, aber fast täglich wurde er morgens vom Geraschel der Eichhörnchen geweckt, die sich ein Nest darin gebaut hatten; und eins davon hatte bereits herausgefunden, wie es sich ins Haus schleichen und auf den Küchentisch scheißen konnte. Das Cottage hatte Caffery nicht willkommen geheißen, und so beschloss er, es auch nicht zu mögen; die meisten Umzugskisten standen noch in der Garage, und ein großer Teil seiner Kleider war nach zwei Monaten immer noch nicht ausgepackt. Sie lagen in ihren Schutzhüllen auf dem Bett im Gästezimmer und verstaubten. Vielleicht waren Mädchen wie Keelie für ihn mehr als nur eine Methode, Beziehungen zu vermeiden. Vielleicht boten sie ihm auch einen Grund, nicht herzukommen. In diese Leere mit ihren Gerüchen und Schatten.
    Er traf um neun im Cottage ein und öffnete gleich die Fenster, um den Eichhörnchengeruch abziehen zu lassen. Er wusste, dass er etwas essen sollte, aber stattdessen ging er ins Wohnzimmer und schenkte sich ein Glas Glenmorangie ein. Er betrachtete das Glas eine Weile, nahm dann die Flasche Malt und stieg mit eingezogenem Kopf die schmale, bucklige Treppe hinauf. Die Decken oben hingen niedrig, der Putz an den Wänden war alt und locker und wahrscheinlich mit Rosshaar verstärkt - kein Platz, um Bilder aufzuhängen. Aber das Badezimmer war einigermaßen okay. Das Haus verfügte über eine Satellitenschüssel, und auf einer alten Truhe neben dem Bett stand ein Fernseher.
    Er stellte die Flasche auf den Nachttisch, zog Schuhe und Socken, Hemd und Hose aus, schaltete den Fernseher ein und legte sich in der Unterwäsche aufs Bett. Dann schob er die Hände hinter den Kopf und starrte auf den Bildschirm. Es gab einen Bericht über eine Damenfußballmannschaft aus Island. Eine der Spielerinnen hatte eine Hasenscharte, die schlecht operiert worden war. Jede Geburt war eine Lotterie, dachte er. Die winzigste Mutation in einem Gen konnte ein Monster hervorbringen: diese Isländerin, den Tokoloshe, Arnos Chipeta.
    Eine kurze Nachprüfung in der Centrex-Guardian-Datenbank und bei Interpol hatte es bestätigt: Clement Chipeta besaß einen Bruder namens Arnos, der Tansania gleichzeitig mit ihm verlassen hatte und seitdem nicht wieder gesichtet wurde. Er war in den Mangrovenwäldern des Rufiji-Deltas aufgewachsen und hatte, noch bevor er zwanzig wurde, seinen Lebensunterhalt bei den Banden verdient, die mithilfe illegaler Taucher - zum Teil ohne Atemgeräte - gesunkene Schiffe ausplünderten. Die

Weitere Kostenlose Bücher