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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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drohen?«
    »Du hast Glück, dass ich dich für deine Zeit bezahle. Ich könnte dich auch einfach über Nacht einbuchten oder auch die Sitte anrollen lassen; dann arbeitet in dieser Straße das ganze Wochenende niemand. Und du wärst die Beliebtheitskönigin des Monats.«
    Seufzend schnippte sie die Zigarettenasche ins Waschbecken. Dann hob sie ihren Slip auf und zog ihn wieder an.
    »Schieß los.« Sie ließ sich in den Sessel fallen und streckte die Beine aus, die Zehen einwärts gerichtet. Mürrisch. »Was willst du?«
    »Du hast von den Verhaftungen gehört.« Er zog ein Kissen unter der roten Steppdecke hervor, legte sich darauf und schlug die Beine auf dem Bett übereinander. »Am letzten Wochenende. Der Junge, dem der Kopf halb abgetrennt wurde.«
    »Das war nicht hier, sondern auf der anderen Seite der Autobahn. In Easton.«
    »Aber einer der Beteiligten war hier als Freier unterwegs. Ich glaube, du wirst dich an ihn erinnern. Ein Schwarzer. Afrikaner. Sehr, sehr klein.«
    Sie lachte. »Du meinst Chip? Wenn du gesagt hättest, dass du über den reden willst, hättest du mir nicht zu drohen brauchen. So was mach ich umsonst.«
    »Chip, hast du gesagt? Hieß er so?«
    »Ich glaube. Mit Nachnamen.«
    »Clement Chipeta?«
    »Nein. Arnos. Arnos Chipeta.«
    Caffery hatte die Zigarette zum Mund geführt, hielt jetzt aber in der Bewegung inne. »Arnos? Bist du sicher?«
    »Ja. Eine verdammte Missgeburt. Hat mich ganz irre gemacht.«
    Caffery ließ die Zigarette sinken und starrte sie an. Sein Mund war trocken. »Und wie sieht Arnos Chipeta aus?«
    »Du hast doch gesagt, das weißt du.«
    »Ich habe gesagt, er ist klein. Mehr weiß ich nicht.«
    »Na, er ist ein... ein Zwerg, würde ich sagen. Aber kein gewöhnlicher Lilliputaner. Er war ein totaler Freak - eine Missgeburt wie der Elephant Man, weißt du? Er hatte immer die Kapuze an seinem Parka übers Gesicht gezogen, damit man nicht sehen konnte, wie er aussah, und er lungerte dauernd da rum. Beobachtete uns. Und eines Abends kommt er rüber: Er hätte sein ganzes Geld gespart, sagt er und bietet mir das Doppelte vom Üblichen. >Fuck, nie im Leben!<, sag ich. O Mann, das ist so krass, wenn ich nur dran denke. Nie im Leben geh ich mit einem Mutanten ins Bett. Nicht mal fürs Doppelte.«
    »Wann hast du ihn zuletzt gesehen?«
    »Keine Ahnung. Vor zwei Wochen?« Sie zog an ihrer Zigarette. »Und? Willst du sagen, er hat was mit dieser Sache in Easton zu tun?«
    »Vielleicht.«
    Sie fröstelte. »Krass.«
    Caffery rauchte die Zigarette zu Ende und dachte an die geduckte Gestalt in dem Norwegen-Video. Es gibt einen Ort, dachte er, da verschmilzt der Mythos mit der Wirklichkeit. Arnos Chipeta. Vielleicht war der Tokoloshe eben aus dem Schatten hervorgetreten.
    »Keelie, weißt du, wieso er sich für mich interessieren könnte?«
    »Yeah.« Sie zog das Wort in die Länge, auf und ab: Yeeeaaah. Als wollte sie sagen: Wieso stellst du mir diese blöde Frage? »Er will sein wie du, du Hunne.« Sie beugte sich vor, legte den Kopf zur Seite und lächelte breit. »Er will dein Mojo, Baby. Weil du so cool bist, Daddyo.«
    »Ich hab die Uhr im Auge, Keelie.«
    Sie seufzte und ließ sich in den Sessel zurücksinken. »Er will einfach das, was du hast.«
    »Wieso ich?«
    »Weil ich mit dir zusammen war. Er ist eifersüchtig.«
    »Woher sollte er wissen, dass ich mit dir zusammen war?«
    »Du kannst vielleicht fragen. Weil ich's ihm gesagt hab.«
    »Du hast - wie viele? Zehn Männer pro Nacht?«
    »Das wäre 'ne gute Nacht, 'ne sehr gute Nacht. Versuch's mal mit fünf.«
    »Fünf Männer pro Nacht. Verfolgt er sie alle?«
    »Nein.«
    »Warum dann mich?«
    »Weißt du das nicht?«
    »Nein.«
    Keelie blies eine Rauchwolke in die Luft und sah ihn lange an, fast als hätte sie Mitleid mit ihm. Dann rappelte sie sich aus dem Sessel hoch und warf den Zigarettenstummel ins Waschbecken. Es zischte leise.
    »Soll ich dir einen blasen?«
    »Die Zeit ist um.« Er hielt ihr das Handgelenk mit seiner Uhr entgegen. »Neun Uhr.«
    »Ich häng noch was dran.«
    Er musterte ihr Profil. Sie hatte die Wimpern gesenkt. Er sah ihre Bedürftigkeit, und einen Augenblick lang wollte er sie berühren. Aber er tat es nicht.
    »Schon okay. Danke, Keelie. Im Ernst. Danke.«
    »Dann sind wir fertig?«
    »Wir sind fertig.«
    Er stand auf, ging zum Waschbecken und zog den Vorhang auf. Es war schon spät, aber der Himmel zwischen den Häusern leuchtete blau. Fast indigoblau. Im Sommer war es schlimmer, was diese

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