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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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legte seinen Dienstausweis auf den Tisch.
    Sie betrachtete ihn. »Polizei?«
    »Polizei.«
    Sie lachte nervös. Und reflexartig, wie es bei ehrlichen Leuten oft vorkam, sprudelten die Informationen nur so aus ihr heraus. »Ja, gut, natürlich erinnere ich mich an sie. Sie suchte etwas im Bereich zwischen, äh, fünf- und achthunderttausend. Da steht ein passendes Objekt zum Verkauf; wir sollen es, äh...«, sie studierte ihren Monitor »...morgen taxieren.«
    »Das können Sie gleich absagen.«
    »Ich verstehe.«
    Caffery war sicher, dass sie es nicht verstand. Überhaupt nicht.
    »Tja, falls ich...« Sie drehte den Monitor so, dass er einen Blick darauf werfen konnte. »Sehen Sie hier noch etwas, das Ihnen helfen könnte?«
    Die beiden Männer beugten sich vor. Eine E-Mail-Korrespondenz füllte den Bildschirm aus. Nichts Ungewöhnliches: Lucy hatte um Informationen über Immobilien gebeten. Der Agent hatte geantwortet.
    »Von welchem Tag stammt dies hier?«
    »Vom letzten Sonntag.«
    Das war der Tag, an dem Lucy verschwand. Sie hatte eine Hausbesichtigung für den Tag vereinbart, an dem sie sich umbringen wollte?
    »Sind wir die Ersten, die zu Ihnen kommen? Haben andere Polizisten Sie nach Mrs. Mahoney befragt?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Das kann auch nicht sein«, sagte Mahoney mit gedämpfter Stimme. »Nichts von all dem hier war in ihrer Mailbox. Ich weiß das, denn ich habe stundenlang ihre E-Mails durchgesehen. Sie muss sie gelöscht haben.«
    Caffery antwortete nicht. Er dachte an die Suchwörter, die er auf Lucys Computer gefunden hatte. Hollyoaks. Topfpflanzen. Body Toning. Wenn er es sich jetzt überlegte, hatte dies nie zu dem Eindruck gepasst, den er sich von Lucy machte. Sie klangen eher wie das, was man für eine Frau erfinden würde, über die man nicht viel wusste, um die Tatsache zu verschleiern, dass man den Browser-Cache geleert hatte.
    Und dann kam ihm eine Idee, so greifbar und klar, wie Ideen es manchmal waren. Lucys Abschiedsbrief war nicht mit der Hand geschrieben worden, sondern auf einem Computer. Niemand hatte daran gedacht, sich zu fragen, warum er nicht zu Hause auf ihrer Festplatte zu finden war.
    »Kommen Sie.« Caffery schob seinen Stuhl zurück und stand auf. »Sehen wir uns Lucys Computer noch einmal an.«
     

37
    Mandy rief um Punkt zwölf Uhr mittags bei Flea an: Sie und Thom hätten lange miteinander gesprochen. Sie seien jetzt ruhiger. Sie wollten sich am Abend nach der Arbeit in Keynsham mit ihr treffen, um zu besprechen, »wie es weitergehen solle«.
    »Wo bist du jetzt?«, fragte sie dann. »Du klingst, als wärst du weit weg.«
    »Ich stehe vor der Bezirksverwaltung«, antwortete Flea.
    »Wo?«
    »In Trowbridge.«
    »Was machst du da?«
    »Was Wichtiges. Etwas, worüber wir nachdenken müssen. Ich erklär's dir später.«
    Flea brauchte nicht lange, um die Abteilung zu finden, die sie suchte. Sie lag am Ende eines Plattenbaukorridors mit schmutzigen Fenstern und brandsicherem Teppichboden. Der Abteilungsleiter wirkte gehetzt und gleichgültig; er vergeudete keine Zeit mit ihrem Ausweis - ein kurzer Blick genügte ihm, um sie zu dem Schreibtisch zu führen, auf dem sich Ruth Lindermilks Korrespondenz vermutlich befand.
    Die zuständige Sachbearbeiterin war eine aufgekratzte Blondine Mitte fünfzig, mit einer nicht zur Jahreszeit passenden Sonnenbankbräune und Unmengen von Goldschmuck. Geschäftig wühlte sie sich durch die Briefe, die sich in drei überquellenden Plastikboxen stapelten. »Das hier ist die CYA-Ecke«, erklärte sie Flea. »Ich bearbeite die CYA-Ecke. Super, nicht?«
    »CYA?«
    »Cover your ass - sichere dich ab. Ich kriege all den Kram, den die anderen Abteilung in den Papierkorb werfen möchten. Sie wissen schon: alte Damen, die sich darüber beschweren, dass das Postamt an der Ecke geschlossen wird und die Stadtverwaltung sich in Wahrheit mit den UFOs über der Salisbury Plain befasst.« Sie deutete auf einen Stapel. »Die da hab ich schon beantwortet. Ich rechne nicht mit Antwort, aber ich muss sie abheften und sie eine Zeit lang aufheben - für alle Fälle.« Sie zog eine der Boxen zu sich heran. »Sie sagen, dieser Brief wurde letzte Woche geschrieben?«
    »Ich glaube ja.«
    »Und der Name?«
    »Ruth Lindermilk.«
    Ein kleines Lächeln ließ die Mundwinkel der Sachbearbeiterin zucken. »Lindermilk?«
    »Ja.«
    »Den Namen kenne ich. Er ist auffällig.« Sie nahm zwei mit Gummibändern zusammengehaltene Briefstapel und legte sie zur Seite. Dann

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