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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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das, was du nicht siehst.
    Mahoney legte die Sandwiches, die sie aus dem Pub mitgebracht hatten, in der Küche auf einen Teller und brachte sie herein. Er stellte den Teller auf den Schreibtisch, blieb hinter Caffery stehen und starrte auf den Bildschirm. Caffery wusste, dass er jetzt abwarten und den PC der Hightech-Einheit in Portishead übergeben sollte, aber er wollte es jetzt wissen. Er suchte im Internet nach Datenwiederherstellungsprogrammen, entschied sich für ein Shareware-Programm namens Recovery und lud es von einer schnellen europäischen Download-Site herunter.
    »Was machen Sie da?«
    »Wenn da nicht jemand ein spezielles Löschprogramm wie Wipedisk benutzt hat, sind die Dateien immer noch irgendwo auf der Festplatte vorhanden. Solange niemand die Partitionen gelöscht, und das System den Speicherplatz nicht überschrieben hat, müsste alles noch da sein.«
    Sie aßen die Sandwiches und warteten den Download ab. Dann klickte Caffery auf »Setup« und sah zu, wie das Programm sich entpackte. Er wählte Laufwerk C für die Durchsuchung aus, setzte ein Häkchen vor die Option »Von anderen Dateien belegte Cluster durchsuchen« und konfigurierte die Suche so, dass auch das Erstellungsdatum der gefundenen Dateien angezeigt wurde. Dann startete er das Programm. Die Zahlen in der »Gefunden«-Spalte wirbelten in schwindelerregendem Tempo über den Bildschirm; in Sekundenschnelle füllte sich das Fenster mit Ordnern und Dateien aller möglichen Endungen - .doc, .xls, .ppt und anderen. Unter den ersten in der Liste fand sich eine Word-Datei, die am 6. Mai um 21 Uhr 30 - am vergangenen Sonntag, an dem Tag, an dem sie verschwand - erstellt worden war. Der Name der Datei lautete »Goodbye«.
    Caffery öffnete sie und atmete tief aus. Der Abschiedsbrief. Er hatte ihn auf dem Revier in Wells ein paarmal gelesen und nichts Ungewöhnliches darin entdeckt. Es war das übliche deprimierende Zeug: die Qual zu groß, ein Leben, das sich nicht lohnte, niemand, der sie verstand. Andere brachten sich aus Feigheit um, oder weil sie es nicht mehr ertrugen zu wissen, was sie getan hatten. Leute wie Penderecki. Aber noch nie hatte Caffery erlebt, dass jemand einen Abschiedsbrief schrieb, ausdruckte und dann löschte.
    »Das hat sie nicht geschrieben«, stellte Mahoney fest. »Nie im Leben hat sie das geschrieben. Das ist nicht Lucys Sprache.«
    »Aber jemand hat es geschrieben. Geschrieben und gelöscht. Wenn es offen auf dem Rechner gewesen wäre, hätten die Fahnder es gefunden.«
    Er scrollte durch die Liste. »Da sind E-Mails an den Immobilienmakler. Alle gelöscht. Andere hat er stehen lassen. Er versteckt nur ganz bestimmte Sachen.«
    Mahoney zeigte auf einen Ordner in der Mitte der Liste. »Ist das was?«
    »Bankauszüge von NatWest.« Caffery verschob den Ordner an seine ursprüngliche Position und öffnete ihn. Er enthielt vierundzwanzig jpg-Grafikdateien, und jede trug den Namen eines Monats der letzten zwei Jahre. Er öffnete die Datei vom Januar des vorvorigen Jahres. Es war ein gescannter Kontoauszug. Caffery stieß einen leisen Pfiff aus. »Das sind die verschwundenen Auszüge.«
    »Sie hat sie gescannt und auf dem Computer gespeichert? Um Platz zu sparen?«
    »Sieht so aus.«
    Caffery öffnete den jüngsten Auszug vom vergangenen April. Einen Moment lang starrten sie beide stumm auf den Monitor.
    Als Lucy Mahoney gestorben war, hatte die Hypothek auf ihrem Haus, das zweihunderttausend wert war, gerade noch siebentausend Pfund betragen. Und auf ihrem Sparkonto lagen hundertneunzigtausend Pfund.
    »O Gott«, murmelte Mahoney. »Was zum Teufel hat sie nur getrieben?«
    »Und sämtliche Eingänge in bar.« Caffery klickte andere Monate an. »Zweitausend hier und im Dezember noch mal achttausend.«
    »O Gott.«
    »Und schauen Sie.« Caffery tippte auf den Bildschirm. »Hier hat es angefangen. Vor fast zwei Jahren.«
    Beide studierten den Kontoauszug. Vor sechsundzwanzig Monaten hatte Lucy noch ein regelmäßiges Gehalt von der Weihnachtsschmuckfirma bezogen. Dann, im Mai nach der Trennung von ihrem Mann, hatte sie eine einmalige Zahlung in Höhe von 7121 Pfund geleistet. Es war ein Scheck gewesen und der Empfänger nicht zu ermitteln. Zwei Wochen danach hatten die Bargeldeinzahlungen begonnen.
    »Haben Sie irgendeine Ahnung, wofür sie die siebentausend gezahlt haben könnte?«
    Mahoney schüttelte den Kopf. So müde, als wäre er nicht mehr fähig zu irgendeiner Art von rationalem Denken, nahm er den Teller und

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