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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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dreißiger Jahren, eine vergilbte Hochzeitstorte in Form einer Kirche mit einem winzigen, staubbedeckten Brautpaar in der Kirchentür. Briefbeschwerer steckten in jeder Lücke. Eine Weile spazierte Caffery umher und sah sich alles an; er dachte, er sei allein, aber dann bemerkte er in der Ecke einen Mann, der ihn anstarrte. Er stand halb gebückt über der offenen Schublade eines Aktenschranks - so reglos, dass Caffery ihn einen Moment lang für eine Kirmesfigur hielt. »Hallo.«
    »Ja?« Der Mann schloss die Schublade und richtete sich auf. »Kann ich helfen?«
    »Sie sind...?«
    »James Pooley. Wer will das wissen?«
    Caffery zeigte ihm seinen Ausweis. »Haben Sie einen Moment Zeit?«
    Pooley kam herüber und studierte den Ausweis. Er war schlank und wirkte ein wenig feminin. Der fein gewirkte braune Rollkragenpulli sah teuer aus, und er trug seine dünne Lederjacke offen, mit umgeschlagenen Manschetten und hochgeklapptem Kragen. An seinen Händen befand sich mehr Schmuck, als ein Mann tragen sollte. Sein dichtes Haar fiel bis auf den Kragen.
    »Ups«, sagte er, und ein schmales Lächeln entblößte ebenmäßige Zähne. »Heißt das, ich habe mir wieder was eingefangen? Aus Versehen einen Virus heruntergeladen? Oder lauern ein paar nicht ganz koschere Stücke in irgendwelchen Winkeln?« Er deutete durch das Bürofenster auf die Unmengen von Waren in seiner Halle. »Das ist ja heutzutage das Problem - die Hehler werden immer besser, immer raffinierter. Manch einen könnte man glatt für einen Agenten von Christie's halten, so gut verstehen sie ihr Spielchen.«
    »Es geht um eine Kundin.«
    »Oh«, sagte er langsam und musterte Caffery. »Okay. Nehmen Sie doch Platz.«
    Caffery setzte sich ihm gegenüber auf einen antiken Schreibtischstuhl, dessen hölzerne Armlehnen vom jahrelangen Gebrauch dünn und glänzend waren. Er hatte ein Exemplar des Vermisstenplakats in der Tasche; jetzt faltete er es auseinander und legte es auf den Schreibtisch. Pooley betrachtete es, die Nase dicht über dem Foto. Es war lange still, und Caffery sah nur das gepflegte Haar auf seinem Schädel. Schließlich hob Pooley den Kopf. »Ja. Ich kenne sie. Lucy Mahoney. Sie ist eine Kundin.«
    »Sie war.«
    »Sie war?« Pooley lachte nervös. »Klingt nicht schön, die Vergangenheitsform. Benutze sie nie gern, wenn es um Kunden geht.«
    »Sie ist tot.«
    »Tot? Wieso?«
    »Das wissen wir noch nicht.«
    Pooley zögerte kurz, und dann verlor sein Gesichtsausdruck ein wenig von seiner Fassung, als zerbröselte er an den Rändern. »Du lieber Gott. Du lieber Gott.« Er schüttelte den Kopf. »Wie tragisch. Was für eine Verschwendung. Sie war noch jung.«
    »Sehr.«
    »Wie schrecklich. Sagen Sie - ihre Familie? Hat es sie sehr schlimm getroffen?«
    »So schlimm, wie man es erwarten kann. Sie hatte eine Tochter.«
    »Ja, natürlich. Tja, wenn wir etwas tun können, wir hier vom Emporium... wenn wir unser Beileid aussprechen können... Sie war eine sehr geschätzte Kundin.« Er starrte seine Hände auf dem Schreibtisch an, nahm ein verirrtes Gummiband und legte es in eine Bleistiftschale. Er hatte sehr helle, fast unsichtbare Wimpern, und seine Haut war glatt. Auch die Hände, die mit dem Gummiband spielten, sahen hübsch und manikürt aus. »Und ich... Vermutlich nehmen Sie an, es war ein Sexualmord?«
    »Was?«
    »Ein Sexualmord. Ich nehme an, das war's?«
    Caffery verschränkte die Arme und fixierte Pooley. »Machen Sie sich lustig?«
    »Nein. Du lieber Gott, nein. Es ist nur...« Er schwieg und legte den Kopf zur Seite. »Sie wissen Bescheid über sie? Oder?«
    »Bescheid? Nein, weiß ich nicht.«
    Pooley musterte Caffery, der locker dasaß, als hätte er sich für eine Weile hier eingerichtet. Dann warf er einen Blick aus dem Fenster auf die dunkelhaarige Frau mit dem Tuch im Haar, die noch immer mit gesenktem Kopf an dem Lüster herumfummelte. Er lächelte kurz, stand auf, ging zu einer Vitrine an der gegenüberliegenden Wand, schloss sie auf, nahm einen samtgefütterten Kasten heraus und stellte ihn auf den Tisch. Caffery beugte sich vor.
    Mehrere Edelstahlobjekte lagen in Mulden in dem grünen Samt. Er brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, was es war. Sexspielzeug. Wunderschön modellierte Instrumente. Dildos. Analstöpsel. Nippelklemmen. Elfenbein, Jade, Glas. Eine Peitsche aus Menschenhaaren mit einem ziselierten Goldgriff. In einige der Stücke waren chinesische Schriftzeichen eingraviert. Die Preise auf den Etiketten begannen bei ein

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