Havanna für zwei
war es an der Zeit, Finn auf einen möglichen Besuch aus Kuba vorzubereiten.
Jetzt, wo sie Felipes Pass mit dem Nachweis, dass sie sich kannten, und einen Internationalen Bankscheck an die irische Botschaft in Mexiko geschickt hatte, würde es nicht mehr lange dauern, bis sie den Termin für seinen Besuch festlegen konnten. Emma wollte für seinen Flug aufkommen, wusste aber nicht, wie sie es Felipe beibringen sollte, ohne seinen Stolz zu verletzen. Bisher kamen sie auf vierhundert Euro, was für ihn viele Monatsgehälter waren. Doch was er in Havanna für sie ausgegeben hatte, war anteilsmäßig viel mehr als diese Flugkosten. Mit jedem Tag, der verging, war sie sich sicherer, dass sie ihn unbedingt sehen wollte. Ihr fehlten Zweisamkeit und Intimität. Es war lange her, seit sie mit einem Mann geschlafen hatte, und selbst mit Paul waren die Abstände dazwischen zu lang gewesen. Sie wollte sich wieder jung und lebendig fühlen wie damals, als sie zum ersten Mal verliebt gewesen war.
Es war höchste Zeit, es Finn zu sagen. Lächelnd sah sie zu, wie er tüchtig zulangte und das Brathähnchen samt dem Berg aus Kartoffelpüree dezimierte. Seit dem Tod seines Vaters war ihr Sohn viel reifer geworden. Er hatte die Rolle des Mannes im Haus übernommen und stellte sogar unaufgefordert den Mülleimer raus.
»Übrigens, Finn«, begann sie vorsichtig, »in Kuba habe ich mich mit jemandem angefreundet, der uns vielleicht eine Weile besucht. Ist das für dich in Ordnung?«
Finn zuckte mit den Achseln. »Klar. Schlimmer als Granny kann sie ja nicht sein.«
»Ähm, es ist keine Frau. Es ist ein Mann.«
Erneutes Achselzucken. »Wenn er hier nur Urlaub macht, ist es okay. Wie lange bleibt er denn?«
»Das steht noch nicht fest. Ich weiß nicht mal sicher, ob er überhaupt kommt. Er muss erst sein Visum bekommen.«
»Was ist das?«
»Eine Erlaubnis, sein Land zu verlassen und nach Irland einzureisen. Weißt du noch, als ich dich um dein altes FC-Barcelona-Fußballtrikot für den kleinen kubanischen Jungen gebeten habe? Tja, die Menschen dort sind sehr arm, und es ist schwer für sie, gewisse Dinge zu tun, die wir für selbstverständlich halten.«
»Klingt komisch.« Er beugte sich wieder über sein Essen. »Ich wollte gleich Gavin abholen. Darf ich?«
»Du kannst bis neun draußen bleiben, aber dann geht’s schleunigst ins Bett. Du hast morgen Schule.«
Finn nickte und trank einen Schluck Milch aus seinem Glas.
»Danke, Mum«, sagte er, nahm seinen Teller und stellte ihn in die Spüle.
Als er zur Hintertür hinausrannte, wurde Emma klar, dass er bald ganz aus dem Haus wäre. Ein Teenager, bevor sie sich’s versah, und so in Anspruch genommen von seinen Aktivitäten, dass er nur noch wenig Raum für sie hätte. Es war richtig von ihr, Felipe zu sich einzuladen. Was machte es schon, wenn es bei einer Urlaubsaffäre bliebe? Aber es könnte auch der richtige Moment für sie sein, sich ein neues Leben aufzubauen. Das musste sie tun, denn wenn sie es jetzt nicht tat, würde sie eines Tages allein dastehen.
Jack kam zu früh. Er stieg die Stufen zum Merrion Hotel hinauf und betrat das Cellar Restaurant. Es war dezent und geschmackvoll eingerichtet; das Weiß der gewölbten Steindecken und der Steinwände setzte sich in den gestärkten weißen Tischdecken fort. Um die Tische, deren Mitte je eine einzelne Rose in einer Vase zierte, waren antike cremefarbene Polsterstühle gruppiert.
Harry und Eileen Cullen reservierten immer den Tisch in der Ecke. Der Oberkellner begrüßte Jack, bot ihm an, ihm seine Tasche abzunehmen, und führte ihn zu seinem Platz. Er hatte Lust auf ein Bierchen, doch das gefiele Aoifes Eltern nicht, also würde er dieses kleine Opfer bringen und darauf verzichten. Er war heilfroh, Aoife zurückzuhaben, und wollte alles tun, um sie glücklich zu machen. Dieses Abendessen war trotzdem wieder so eine Farce. Morgen sollten die offiziellen Hochzeitseinladungen versandt werden; alles lief nach den Wünschen von Aoifes Eltern.
Er sah auf die Uhr. Aoife hatte einen Auftrag in Dun Laoghaire, der aber inzwischen beendet sein müsste. Plötzlich sah er sie in einem knallorangen Etuikleid, das inmitten der vielen Weißtöne hervorstach wie ein Leuchtfeuer. Er eilte zu ihr und küsste sie auf die Lippen.
»Danke, dass du früher kommst!«, raunte sie ihm zu.
»Sind deine Eltern auch schon da?«
»Dad sucht noch einen Parkplatz«, sagte sie grinsend und nahm auf dem Weg zum Ecktisch seine Hand.
»Wirf schon mal
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