Havelsymphonie (German Edition)
Stunden. Aber nicht jeder Versuch glückt auch.“
„Und wie lange können Sie das Rohr dann benutzen?“
„Eine Woche lang.“ Kurz war nun in seinem Element. „Aber ich brauche ja mehrere, wie ich Ihnen erklärt habe.“
„Und kaufen? Können Sie die nicht kaufen?“
Jetzt zog Oliver Kurz seinerseits die Augenbrauen zusammen. „Könnte ich, aber das klingt nicht. Sie würden Ihren Eintritt zurückfordern. Bei uns Profis muss alles stimmen, und nicht jeder Musiker kommt mit jedem Rohr klar. Ich zum Beispiel brauche eines mit einem steilen Querschnitt, damit ich nach leisen Passagen sofort und ohne Übergang laute und kräftige Töne spielen kann.“
Die Pause, in der sich der Musiker eine neue Zigarette ansteckte, nutzte Manzetti für ausgiebiges Lob und auch für die Überleitung zu einem anderen Thema. „Spielen Sie auch außerhalb des Orchesters?“
„Na klar. Das macht fast jeder von uns. Ich spiele noch in einer Jazzband Saxophon und ansonsten bei Kammerkonzerten.“
„Und Carolin? Hat die auch die eine oder andere Mugge gehabt?“
„Carolin war sogar sehr begehrt. Sie hat fast mehr außerhalb als mit dem Orchester gespielt.“
„Auch direkt vor ihrem Tod?“
„Ja. Da haben wir bei einer Geburtstagsfeier gespielt. Ein reicher Geschäftsmann wurde zum Fünfzigsten von seiner Frau damit beschenkt. Das war nicht schlecht und hat sich auch noch gelohnt.“
„Finanziell, meinen Sie?“
„Ja“, bestätigte Kurz und fügte mit einem lustigen Augenzwinkern hinzu: „Und alles wird selbstverständlich versteuert.“
„Ja, sicher. Das ist aber nicht meine Abteilung. Mir geht es ausschließlich um den Mord.“
„Wer macht so etwas?“, fragte Kurz plötzlich und sah Manzetti auffordernd an.
„Das wissen wir noch nicht. Aber wir haben eine heiße Spur“, log er. „Hatte Carolin Feinde oder Neider?“
„Nein. Das glaube ich nicht. Sie war sehr beliebt und wirklich ausgesprochen nett. Feinde hatte sie nicht.“
„Gab es vielleicht Streit innerhalb der WG?“
„Den gibt es immer mal, aber doch nicht so einen, der zu diesem Ergebnis führt.“
„Wieso ist Carolin in die WG gezogen? Wie ich hörte, lebte sie vorher in einem gut betuchten Elternhaus.“
„Das schon.“ Kurz goss sich einen neuen Kaffee ein. „Sie auch?“, fragte er Manzetti, der den Kopf schüttelte und seine verbrannte Zunge gegen die Schneidezähne drückte.
„Ich glaube, sie hatte Stress mit ihrem Vater.“
„Der hat sie aber über alles geliebt, wie mir scheint“, entgegnete Manzetti. „Er hat sogar eine richtige Bildergalerie in seinem Arbeitszimmer. Nur Fotos seiner Tochter.“
„Das war ja das Problem. Er hat ihr die Luft zum Atmen genommen, sie begluckt wie eine Henne. Sogar einen Detektiv soll er auf sie gehetzt haben. Da wäre ich auch ausgebrochen.“
„Und wie stand Carolin zu ihrem Vater?“
„Sie hat ihn nur noch unmöglich gefunden. Carolin wollte vorerst auch nicht mehr über ihn reden. Sie hat uns sogar angedroht auszuziehen, falls wir sie darauf ansprechen.“
„Gedroht? Mit ihrem Auszug?“, fragte Manzetti erstaunt.
Oliver Kurz zuckte mit den Schultern und lächelte süffisant. „Sie war sehr hübsch und hatte eine tadellose Figur.“ Mehr sagte er nicht, aber es reichte aus, um die entsprechenden Fantasien bei Manzetti auszulösen.
„Trotzdem verstehe ich das nicht“, kam Manzetti zum Thema zurück. „Ein Vater, der seine Tochter so liebt, der Dutzende Bilder von ihr aufstellt, der muss doch um ihr Wohl besorgt sein. Und dazu gehört doch auch, irgendwann loszulassen.“
„Was meinen Sie, wie viele Leute ganze Altäre für ihre Kinder herrichten? Da würde sogar die katholische Kirche blass werden. Zum Beispiel unser Intendant. Sebastian hat eine Wand seines Büros mit den Bildern seiner drei Kinder förmlich tapeziert.“ Manzetti konnte sich an den Anblick dieser Fotos erinnern. „Oder Margarethe, die ist noch schlimmer“, behauptete Kurz. „Die hat in ihrer Wohnung einen richtigen Tempel für ihre Tochter errichtet. Schauen Sie sich den mal an, dann wissen Sie erst, was Mutterliebe ist.“
„Mache ich bei Gelegenheit“, versprach Manzetti und leitete dann zu seinem eigentlichen Anliegen über.
„Wo war denn Ihr Mitbewohner Silbermann in der Nacht, als Carolin getötet wurde?“
„Elliott?“ Der Musiker musste kurz überlegen. „In seinem Lokal, nehme ich an. Aber genau weiß ich das auch nicht, denn ich war in Berlin und bin erst gegen sieben Uhr mit dem Zug
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