Havelsymphonie (German Edition)
in Brandenburg angekommen. Müssen wir jetzt etwa alle ein Alibi nachweisen?“
„Nein, Sie nicht.“ Eine bessere Frage hätte der Musiker gar nicht stellen können, um seinem Vorhaben ein entsprechendes Gewicht zu verleihen. „Aber Elliott Silbermann werde ich danach fragen müssen.“
„Ist der etwa verdächtig?“ Unbändige Neugier stand Kurz ins Gesicht geschrieben.
Jetzt zuckte Manzetti nur scheinbar gelangweilt mit den Schultern. „Zumindest haben mehrere Zeugen … Aber lassen wir das. Ich werde mit Herrn Silbermann selbst reden.“
Nach Manzettis Meinung war die Lunte gelegt und brannte auch schon, und so konnte er sich verabschieden, wobei er sich nochmals für die Unterweisung in Sachen Rohr bedankte.
„Wissen Sie, ich hätte mit dem Reinhard auch nicht zusammenleben wollen“, kam Oliver Kurz noch einmal auf Carolins Vater zurück, als Manzetti schon in der Tür stand. „Das ist doch ein reaktionäres Schwein.“
„Woher wissen Sie das?“ Manzetti wandte sich ihm erneut zu.
„Als Carolin noch bei ihren Eltern lebte, hat ihr Vater uns nach einem Kammerkonzert mal zu einem Glas Wein eingeladen. Irgendwie kam die Diskussion auf Frauenhäuser und dabei vertrat er eine Meinung, die ich einem ehemaligen Richter nicht unbedingt zugetraut hätte.“
„Und die wäre?“
„Er sagte allen Ernstes, dass viele Frauen doch selbst schuld seien, wenn die Männer gewalttätig würden und sie dann in solche Häuser fliehen müssten. Hätten sie nur eine ordentliche Erziehung erhalten, dann würden sie ihre Rolle in der Ehe kennen. Er ging sogar so weit, zu behaupten, dass diese Frauen nicht Opfer geworden wären, wenn man sie während der Kindheit in einem Erziehungsheim untergebracht hätte.“
„Was?“, fragte Manzetti sichtlich schockiert.
„Ja, weil sie dort gelernt hätten, sich vernünftig zu benehmen.“ Manzetti musste kurz überlegen, bevor er eine weitere Frage stellen konnte. „War diese Auseinandersetzung der Anlass für Carolins Auszug aus dem Elternhaus?“
„Nein. Die Einladung lag schon länger zurück. Und ich glaube, wir anderen waren wesentlich entsetzter als Carolin. Besonders Margarethe war stark erregt. Sie hatte große Mühe sich zurückzuhalten und ihm nicht an den Hals zu gehen. Aber mit ihrer Meinung hat sie nicht hinter dem Berg gehalten. Mein lieber Mann.“
15
Manzetti saß im Arbeitszimmer und stierte zum Fenster hinaus auf den Stadtkanal. Es war trüb da draußen und es schien sogar ein bisschen zu nieseln. Genau in solchen Situationen wünschte er sich in den letzten Jahren immer häufiger in seine toskanische Heimat zurück. Wie schön wäre es jetzt in San Gimignano, dort die Sonnenstrahlen genießend, fernab der mitteldeutschen Novembertristesse!
Negativ auf seine Stimmung wirkten sich aber auch die vielen Fragen nach seiner großen Tochter aus, die in seinem Kopf kreisten. Sie war jetzt genau eine Woche weg, die längste Zeit, die er seit Laras Geburt ohne sein Kind hatte aushalten müssen. Irgendwie kam er sich vor, als sei er in einen tiefen, schwarzen Brunnen gefallen, dessen kalte Wände all seine Hilfeschreie absorbierten.
„Woran denkst du?“, fragte Kerstin, die mit ihrem schwarzen Satin-Kimono bekleidet ins Zimmer trat und sich die nassen Haare trockenrieb.
„An unsere Große.“ Manzetti sah weiter auf den Stadtkanal hinaus.
Kerstin setzte sich rittlings auf seinen Schoß und küsste seinen Mund, nachdem sie gegen einigen Widerstand sein Gesicht zu sich gedreht hatte.
„Das ist strafbar“, jammerte er, als Kerstin ihre Lippen von den seinen wieder gelöst hatte.
„Was ist strafbar?“
„Vergewaltigung. Das ist Vergewaltigung.“ Sein Flehen erstickte in den nach Shampoo duftenden Haaren, als sie sich nach vorn beugte und langsam begann, an seinem rechten Ohr zu knabbern.
„Das ist nicht strafbar“, flüsterte sie mit der Stimme eines Vamps. „Das ist bitter notwendig.“ Dann öffnete sie den Gürtel ihres Kimonos und ließ ihn über die Schulter nach unten gleiten. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, einen Slip anzuziehen, schob ihren Mann auf das kleine Sofa und ließ ihm in der weiteren Folge keine Chance zur Gegenwehr.
Erschöpft, aber mit strahlenden Augen räusperte sich Manzetti nach einer halben Stunde und umkreiste Kerstins Brüste mit dem Nagel seines rechten Zeigefingers. „Wann kommt Paola von ihrer Freundin zurück?“
Sie drehte den Kopf zum Bücherregal, in dem eine kleine goldene Uhr stand, ein Geschenk von
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