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Havelwasser (German Edition)

Havelwasser (German Edition)

Titel: Havelwasser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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auf.
    „Und der wäre?“
    „Die Münzen.“
    „Die Münzen?“, fragte sie und warf die leere Colaflasche in einen Mülleimer.
    „Die armen Teufel haben kein Geld und würden nie und nimmer zwei Euro opfern, um die auf Augen von Toten zu legen. In ihrer Währung sind das nämlich zwei Bier.“
    „Okay“, gab Sonja kleinlaut nach. „Was hat es aber nun mit den Münzen auf sich?“
    Manzettis hochgezogene Mundwinkel, die oft genug Unerfreuliches ankündigten, erzeugten für einen kurzen Moment tiefe Grübchen. „Wie sieht’s denn mit deiner Bildung aus?“ Diesen Stich musste er noch austeilen, denn das war er seinem Gewissen schuldig, und Sonja hatte es sich verdient.
    Sie ging lieber nicht auf diese Frage ein und kehrte schnell zum Thema zurück. „Unser Täter hat also auch noch Stil, sagst du. Er benutzt nicht einfach irgendwelche Münzen. Nein, wenn schon, denn schon, müssen es griechische Euromünzen sein, womit er schließlich sicherstellen will, dass seine Botschaft bei uns ankommt. Welche soll das aber sein?“
    Manzetti entschloss sich endlich, ihr nachzuhelfen: „In der Sagenwelt der alten Griechen war jedem Verstorbenen ein ehrenvoller Übergang in die Welt der Toten vergönnt.“ Er erinnerte sich an einen Film über den trojanischen Krieg. An der Stelle, als die Toten der Schlacht zusammengetragen wurden, hatte der Regisseur gezeigt, wie auch die Gegner mit dem strengen Bestattungsritual beigesetzt wurden. Erst Feind, der bis zum Tod bekämpft wurde, und dann zu achtendes Individuum. Das mochte schizophren erscheinen, war aber letztlich einfach nur konsequent.
    „Man legte den Toten eine Münze auf jedes Auge, bevor man sie verbrannte. Die Münzen waren der Lohn für den Fährmann des Todes, der die Toten über den sagenhaften Fluss Styx ins Reich der Unterwelt brachte.“ Manzetti hatte längst begriffen, dass dieser Mord nicht so einfach aufzuklären sein würde. Hier forderte ihn jemand in einem Maß heraus wie schon lange nicht mehr. Hier wurde nicht nur gemordet, hier wurden Morde zelebriert. Hoffentlich war das nicht der Beginn einer Serie. „Sieht alles so aus, als ob hier jemand eine Show abzieht, eine ziemlich brutale Show, vermutlich ein Mann.“
    Sonja nickte nur zustimmend, und Manzetti fuhr fort: „Er will nicht nur töten, nein, nebenher will er sich noch selbst inszenieren. Und dem Narzissmus verfallene Menschen teilen ihren Ruhm nicht gerne.“
    „Du glaubst also, wir haben es mit einem einzelnen Täter zu tun?“
    „Unter Umständen ja.“
    Da Sonja keine weiteren Fragen stellte, erteilte er ihr klare Anweisungen für die Vernehmung der beiden Obdachlosen, dann ging er zur Straßenbahnhaltestelle am Nicolaiplatz.
    Sein Blick folgte den farbenfrohen Fassaden der alten Bürgerhäuser, aber seine Gedanken gehörten einzig und allein dem Mörder. Wurde er, Andrea Manzetti, vielleicht jetzt gerade von ihm beobachtet? Lauerte sein Gegner hinter einem dieser Fenster? Würde er erneut töten? Und wenn ja, wen? Die Fragen trieben Manzetti, ließen ihn immer tiefer in die Gedankenwelt zur Lösung seines Falls eintauchen, in diese von ihm so geliebte intellektuelle Welt.
    Er hatte die Eröffnung dieses Schachspiels pariert. Nun musste er seine Figuren setzen, musste seinen Gegner in möglichst wenigen Zügen schachmatt setzen. Denn jeder weitere Zug könnte den Tod eines Menschen bedeuten.
    Als die Straßenbahn durch die Ritterstraße rumpelte, betrachtete Manzetti die wechselnden Fassaden und erkannte in der Steigung zur Jahrtausendbrücke den Namenszug des „Fonte“. An der nächsten Station stieg er aus und ging die gut zweihundert Meter zurück bis zum Fontaneclub. Am Tresen bestellte er einen offenen Rotwein und setzte sich dann an einen Tisch, der in einer kleinen Nische ziemlich abseits stand.
    „Manzetti, was treibt Sie denn in ein deutsches Lokal?“ Der Mann hatte schon einiges von seiner Dynamik des Vormittags eingebüßt. Die schläfrigen Augen und seine gesamte Körperhaltung verrieten, dass ihn entweder die unerfreulichen Seiten seines Berufs oder aber die vor ihm stehende Cola von innen zerfraßen.
    „Bremer, ich dachte Sie hätten das Zeug unter Kontrolle?“ In Manzettis Frage steckte auch eine Portion Besorgnis.
    „Habe ich auch. Nur eben nicht jeden Tag.“ Bremer stoppte kurz, so als würde er darüber grübeln, ob er die nächste Bemerkung nachschieben könne. „Manchmal hat aber auch der Flaschengeist die Kontrolle über mich. Wenn Sie so wollen,

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