Havelwasser (German Edition)
wenig über unseren Pfarrer. Du könntest da mal etwas Licht ins Dunkel bringen. Schnapp dir einen unserer Leute und fahr nach Potsdam, in diese Pfarrgemeinde, der er vorstand. Mach dir nur ein Bild von seinem Umfeld und stell noch keine konkreten Fragen. Das Übliche eben, wenn du verstehst, was ich meine.“
Sie war alles andere als begeistert, hatte aber aus Mangel an Alternativen kaum eine Chance, sich zu wehren.
Manzetti dagegen schaute auf seine Armbanduhr und machte sich erneut auf den Weg zu Bremer. Nun war er schon zum zweiten Mal innerhalb von vierundzwanzig Stunden unterwegs zum Städtischen Klinikum. In seinem Privatleben war er allerdings kein Freund der Schulmedizin, während seine Frau sehr darauf vertraute. Er, der hingebungsvoll umsorgt in der Toscana aufgewachsen war, setzte mehr auf die umfängliche Zuwendung seiner Lieben. Aber oft genug hatte er sich dem Willen seiner Frau gebeugt und war schließlich doch zum Hausarzt der Familie gegangen, selbst wenn er der Meinung war, dass ein Husten, der alleine kam, auch wieder alleine ging, oder, wie es seine Großmutter immer formulierte: Ein Schnupfen dauerte mit Medizin sieben Tage und ohne eine Woche.
Im Klinikum schlängelte er sich mit einem kurzen Gruß am Pförtner vorbei und wurde schon nach wenigen Metern im Inneren des Institutes von Dr. Bremer empfangen.
„Ach, Manzetti. Ich bin noch längst nicht fertig. Außerdem liegt hier noch jemand, der den letzten Kontakt mit Ihnen nicht überstanden hat.“
„Dottore, Ihren Sarkasmus in allen Ehren, aber ich bin im Stress, und deshalb müssen wir gleich zum Wesentlichen kommen.“
„Stress ist gefährlich, Manzetti“, entgegnete Bremer. „Wenn Sie nicht vollkommen wehrlos auf einem meiner ungemütlichen und kalten Metalltische landen wollen, dann sollten Sie sich von dieser Krankheit Nummer 1 fernhalten.“
„Ich dachte immer, Herz-Kreislaufversagen wären numero uno.“
„Und die kommen woher?“, fragte Bremer und antwortete gleich selbst. „Vom Stress, Commissario. Vom Stress.“
Mit einer heftigen Bewegung öffnete Bremer die Tür zum langen Flur und schritt voran. Vorbei an Vitrinen mit aus Manzettis Sicht grässlichen Exponaten liefen sie schnellen Schrittes in Richtung der Sektionssäle. Manzetti entwickelte schon Horror genug, wenn er Sektionen beiwohnen musste, was Gott sei Dank nur selten der Fall war, aber die makabre Ausstellung von in Alkohol eingelegten Embryonen, Fingern, Zähnen und anderen Dingen, die Bremer stolz seinen Fundus menschlicher Leidenschaft nannte, war für seinen Geschmack an Perversität kaum zu übertreffen.
„Ich hoffe, dass Sie nicht mit zu hohen Erwartungen kommen.“ Damit unterbrach Bremer Manzettis Gedanken und stoppte unwissentlich, aber gerade noch rechtzeitig dessen aufkeimendes Unwohlsein.
„Ich komme nicht mit zu hohen Erwartungen. Keine Angst. Außerdem hatten Sie mich ja gewarnt.“
Dr. Bremer hob, als würde er überirdische Wesen anbeten, seine Arme in die Höhe. „Der Täter kopiert sich selbst mit einer Präzision, die einzigartig ist. Das hatte ich noch nie.“ Er steigerte sich fast ins Schwärmen.
„Aber das können Sie doch allenfalls bei Serienmördern feststellen. Und davon gab es in Brandenburg ja noch nicht so viele“, gab Manzetti zu bedenken.
„Hier nicht, stimmt“, räumte der Arzt ein. „Aber wenn man so alt ist wie ich, dann besteht doch die Möglichkeit, dass einen das Berufsleben schon an mehrere Küsten getrieben hat.“
„Was ist nun mit der Präzision?“, wollte Manzetti wissen und beendete damit den für ihn langweiligen Smalltalk.
„Die Schnitte sind fast auf den Millimeter gleich lang, gleich tief, und überhaupt gleicht jedes Detail dem anderen. Auch die Wasserfrage wurde wieder gestellt.“
„Ich frage mich, was der Mörder uns damit sagen will?“ Manzetti unterbrach seine Gedanken mit einem Blick auf einen der Tische und begann prompt, an seinem Frühstück herumzuwürgen. „Lassen Sie uns diese unangenehme Geschichte hinter uns bringen. Mir ist schon den ganzen Morgen schlecht.“ Wieder stieg Hitze in ihm auf, und Schweißperlen traten auf seine Stirn, obwohl die klimatisierten Räume der Rechtsmedizin den sommerlichen Junitemperaturen Paroli boten.
Dr. Bremer sah ungläubig erstaunt zu seinem Gast und fragte dann: „Wollen Sie nun den obduzierten Martin Becker sehen?“
„Nicht nötig. Den Bericht lese ich mir später durch.“
„Schade, ich hätte mich über etwas mehr Interesse an
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