Havelwasser (German Edition)
endlich los.
„Au, Au, Au“, rief der Bärtige der Welt entgegen und rieb die schmerzende Stelle an seinem Knie. „Dit is Körperverletzung, wa. Sie wissen wohl nich, wie weh dit tut, Mann.“ Er rieb noch immer die schmerzende Stelle und probierte, sein Knie zu beugen.
„Woher hatte er die Drogen?“
„Vielleicht gekauft“, antwortete nun der hagere Kerl mit unsicherer Stimme. „Woher sollen wir dit wissen?“
Manzetti stand auf und schob den Bärtigen zur Seite. Dann platzierte er sich zwischen die beiden. „Woher war das Zeug?“
Der Hagere legte in Windeseile die Arme um seine Knie und schielte zu Manzetti. Der griff dieses Mal mit Daumen und Zeigefinger das ihm dargebotene Ohrläppchen, zerrte daran und ließ es zwischen seinen Fingern herausschnippen. Der Schmerz, den dieser Griff verursachte, war kurz und wurde mit einem lauten Aua quittiert.
„Also“, betonte Manzetti. „Letzte Chance. Woher hatte er die Drogen?“
Der Bärtige ergriff eilig das Wort und erklärte Manzetti, was der längst vermutet hatte. Sie hatten nicht nur die Euromünzen eingesteckt, die sie auf den Augen des toten Pfarrers gefunden hatten, nein, sie hatten auch noch andere schöne Dinge gebrauchen können. Dazu hatten sie den Toten untersucht und zuerst überhaupt nichts Vernünftiges gefunden. Dann war der Hagere auf die Idee gekommen, die eleganten Schuhe des Toten einzustecken, und damit es nicht so auffällt, hatten sie ihm ein altes Paar angezogen, das sie als Ersatz mit sich trugen. Allerdings bereute der Hagere diesen Tausch schon wenige Stunden später, denn die Schuhe waren aus hartem Leder und drückten fürchterlich. „Das waren ganz neue“, sagte der Bärtige.
„Aber unsere Füße vertragen so’ne feinen Treter nich“, ergänzte sein Kumpel.
„Und warum habt ihr mir das nicht gleich gesagt?“, fragte Manzetti vorwurfsvoll.
Es folgte betretenes Schweigen, und die beiden starrten zu Boden, wie Kinder, die sich ihrer Tat schämten.
„Ich höre, meine Herren“, forderte er mit Fingern, die wie die Scheren eines Krebses auf- und zuschnappten.
„Dann hätten Sie uns doch wieder mitgenommen. Wie bei die Münzen, wa. Und denn hätten wir wieder duschen müssen.“ Der Bärtige schaute zu Manzetti und setzte mit voller Überzeugung fort: „Jeden Tag duschen is nich gut für die Haut.“
Manzetti schüttelte den Kopf: „Wer hat die Schuhe denn nun jetzt?“
Die beiden tauschten nervöse Blicke, die von Angst zu Hilflosigkeit und wieder zurückwechselten. Dann trat der Hagere hinter die Bank und kramte in seinem Gepäck. Er kam mit einer Alditüte zurück und reichte sie Manzetti. „Es tut uns leid, Herr Kommissar. Ich meine, dass wir Sie belogen haben. Aber Sie müssen uns doch och mal verstehen. Für die Treter könnten wir ein paar gute Euros kriegen.“
Er nahm die Tüte und holte die Schuhe heraus. Es waren die gleichen, die er bei den Asservaten von Martin Becker gefunden hatte.
„Aber mit die Drogen haben wir nischt zu tun, Herr Kommissar. Dit is diesmal die Wahrheit“, behauptete der Bärtige, und Manzetti glaubte ihm das sogar.
„Wie habt ihr das Fach gefunden?“
„Sie meinen, wo dit Pulver drin war?“
„Ja.“
„Dit war eigentlich Zufall. Unser Kumpel hat sich die Schuhe als Erster angezogen, und dann wollte er hier“, der Bärtige zeigte auf seinen Nachbarn, „auch mal probieren. Die beiden haben sich gestritten wie kleine Kinder und an dem Schuh gezerrt, als wäre der was zu essen. Da fiel plötzlich dit kleine Tütchen raus.“
„Gut, Männer“, schloss Manzetti die Unterredung. „Ich muss die Schuhe leider mitnehmen, aber weil ihr mir bei schwierigen Ermittlungen geholfen habt, sollt ihr eine Belohnung bekommen.“
„Dit ist zwar gegen unser Gesetz“, entgegnete der Hagere, „aber ein Zehner für jeden geht in Ordnung, wa.“
Manzetti drückte dem Bärtigen zwanzig Euro in die Hand und sagte im Weggehen: „Aber wenn ihr mich nur noch einmal belügt, dann greife ich ganz woanders hin.“
Die Hände des Hageren schnellten schützend zwischen seine Beine, als er antwortete: „Nie mehr tun wir lügen, Herr Kommissar. Nie mehr.“
Manzetti packte den Schuh wieder in die Tüte und machte sich auf den Weg zur Direktion. Dort wurde er schon von Frau Freitag erwartet. „Herr Manzetti, der Chef möchte Sie dringend sprechen.“
„Aha, wieder mal dringend. Ich gehe gleich zu ihm hoch“, versprach er und war im Begriff, sein eigenes Büro aufzusuchen, um erst mal
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