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Havelwasser (German Edition)

Havelwasser (German Edition)

Titel: Havelwasser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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die Schuhe loszuwerden.
    „Da ist ein Herr gekommen, ein Rechtsanwalt, der ein ziemlich böses Gesicht macht.“
    Kurz entschlossen drückte er der Sekretärin die Alditüte in die Hand. Auf dem Weg zu Claasen dachte er nach. War er irgendjemandem zu sehr auf die Füße getreten? Noch hatte er doch gar nicht mit tieferen Ermittlungen und den dazu gehörenden Vernehmungen begonnen. Die einzige Person, die sich echauffieren könnte, wäre Frau Becker, aber da müsste er sich wirklich sehr in ihr getäuscht haben.
    Manzetti klopfte an die Tür zum Büro von Direktor Claasen.
    „Herein“, sickerte es leise durch die Polster.
    „Herr Direktor, Sie wünschen mich zu sprechen?“ Manzettis Blick fiel auf einen Mann, etwa in seinem Alter und sehr modisch, für Brandenburger Verhältnisse zu modisch gekleidet. Er trug einen hellgrauen Anzug, dessen Stoff den hohen Anteil von eingewebter Seide in der Sonne glitzern ließ, dazu ein weißes Hemd und eine Krawatte in einem zartrosa Farbton. Alles in allem schätzte Manzetti den Wert der Kleidung auf weit mehr als tausend Euro. Der Haarschnitt des Mannes war an Akkuratesse nicht zu übertreffen.
    „Das ist Rechtsanwalt Gutendorf“, stellte Claasen seinen Besucher vor und trat beschützend neben seinen Gast.
    Gutendorf, aha, dachte Manzetti. Aber was wollte der denn hier? Die Kanzlei Gutendorf & Partner war dafür bekannt, dass sie kaum Brandenburger vertraten, denn das Stundenhonorar bewegte sich etwa in der Größenordnung von Manzettis Monatsgehalt, und dafür fehlte in dieser Stadt die Kundschaft. Abgesehen von einigen stinkreichen Unternehmern konnte sich niemand die Dienste von Gutendorf leisten, und für die wenigen Fälle der Pflichtverteidigung, die er per Gesetz vom Gericht auferlegt bekam, hielt sich seine Kanzlei einen Wald- und Wiesenanwalt, der sein Engagement sicherlich als Sprungbrett zu höheren Weihen betrachtete. Aber Gutendorf selbst würde in solch einem Fall nicht persönlich erscheinen.
    „Guten Tag“, grüßte Manzetti den Juristen, der kaum sichtbar nickte. Sein Gesicht schien in der Stellung „Unfreundlichkeit“ eingefroren.
    „Manzetti“, redete jetzt Claasen anscheinend im Auftrag seines Besuchers. „Waren Sie gestern in der Hauptstraße?“
    Manzetti stutzte, weil er wirklich überlegen musste. „Kann sein, Herr Direktor. Aber was …“
    „Haben Sie dort einen Jugendlichen angetroffen?“, schnitt Claasen dem Hauptkommissar scharf das Wort ab.
    Jetzt dämmerte ihm, woher der Ärger kam, und er ahnte, dass dieser Jüngling, der ihm das Eis aus der Hand geschlagen hatte, von edlem Geblüt sein musste, wenn ein Anwalt wie Gutendorf in dieser Sache aktiv wurde. „Das habe ich, aber worum geht …“
    Claasen unterbrach ihn mit einer Handbewegung und nahm von seinem Schreibtisch eine Fotografie auf, die er Manzetti vor die Augen hielt. „Erkennen Sie den Jungen wieder?“
    Manzetti erkannte den Jungen natürlich wieder und registrierte sofort den aufgeklebten Pfeil, der auf die Wange des Knaben deutete. Er wusste aus langjähriger Erfahrung, dass jetzt noch weitere Fotos kommen würden, die Details zeigten und ebenfalls Pfeile hatten. Es war die Art von Fotografie, wie man sie in Strafakten vorfand. Und tatsächlich langte Claasen wieder hinter sich und zeigte einen weiteren Beweis in die Runde. Auf den Fünffingerabdruck von Manzettis rechter Hand, der die Wange des Jugendlichen zierte, deuteten sogar drei Pfeile.
    „Sind Sie von allen guten Geistern verlassen?“, empörte sich Claasen und fuhr ohne Luft zu holen fort. „Nicht nur, dass Sie einen netten Jungen schlagen, einen der wenigen, dem wir getrost das von unserer Generation Erbaute in die Hände legen können. Nein, Manzetti, Sie zerstören bei diesem Jungen auch noch das Vertrauen in den Staat und bringen unsere Direktion in Verruf. Ich müsste Sie eigentlich vom Dienst suspendieren.“ Claasen legte vertrauensvoll die Hand auf die Schulter von Gutendorf, der daraufhin auch aufstand und sich neben den Direktor stellte. Gutendorf war etwa zwei Meter groß und schlank und sah in seiner gepflegten Eleganz durch und durch seriös aus. Diesem Mann würde man sogar Grundstücke auf dem Mond abkaufen.
    „Herr Direktor“, begann Rechtsanwalt Gutendorf mit weicher Stimme und schaute auf den nur gut einen halben Kopf kleineren Manzetti herab. „Auch wenn einer der Ihnen unterstellten Mitarbeiter, der sich vermutlich auf einer niederen Ebene bewegt, in einer Ihrem Hause nicht

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