Havenhurst - Haus meiner Ahnen
ausgestreckten Hände zu drücken.
„Diese Sorte hier trägt den wissenschaftlichen Namen Hyazinthus orientalis.“ Sie sprach immer schneller. „Aber vielleicht finden Sie den mythologischen Hintergrund der Pflanze interessanter. Die Hyazinthe hat nämlich ihren Namen von einem schönen Spartaner namens Hyazinthus.“ Ohne Luft zu holen, spulte sie die ganze Sage des bedauernswerten jungen Spartaners herunter, aus dessen Blutstropfen einst die Blume entstanden sein sollte. Doch dann stockte ihre Stimme, denn sehr nachdrücklich stellte Ian jetzt den Blumentopf auf den Tisch zurück.
„Faszinierend“, sagte er und blickte sie unergründlich an.
Elizabeth war sich ziemlich sicher, daß Ian mit „faszinierend“ sie und nicht die Geschichte der Hyazinthen meinte. Sie wollte sich noch weiter zurückziehen, aber die Beine versagten ihr den Dienst.
„Absolut faszinierend“, wiederholte er und faßte sie sanft bei den Schultern. „Gestern abend waren Sie bereit, sich mit einem ganzen Spielsalon voller Männer anzulegen, um meine Ehre zu verteidigen, und jetzt haben Sie Angst vor mir, Liebste. Oder haben Sie vor etwas anderem Angst?“
Die Anrede „Liebste“ empfand Elizabeth beinahe wie einen Kuß. „Ich habe Angst vor den Gefühlen, die Sie in mir wecken“, sagte sie heftig. Obwohl sie sich bemühte, sich selbst und die Situation zu beherrschen. „Mir ist ja klar, daß es sich nur um eine kleine Wochenendtändelei handelt...“ „Lügnerin“, sagte er leise, und nun küßte er sie tatsächlich, wenn auch nur flüchtig. Dennoch verwirrte sich prompt Elizabeths Geist.
„Danke“, entfuhr es ihr. „Ja, und Hyazinthen sind nicht die einzigen Blumen mit einer interessanten Geschichte. Da wären noch die Lilien, die ..."
Ein unerhört sinnliches Lächeln zog sich über Ians schönes Gesicht, und zu ihrem Schrecken richtete er den Blick auf ihre Lippen. Sie erbebte schon, bevor er den Kopf zu ihr neigte, und als sein Mund ihren berührte, gab sie den Kuß mit ihrer ganzen verworrenen Sehnsucht zurück.
Sie preßte eine Hand an Ians Herz und schlang die andere um seinen Nacken. Dies und die Art, wie sie sich seinem Kuß ergab, hätten jedem Mann gesagt, daß sie entweder eine liebende Frau oder eine geschickte Verführerin war. Ian jedoch war erfahren genug, um zu erkennen, daß auf Elizabeth das erstere zutraf.
Trotz ihrer Verzauberung fiel ihr plötzlich Roberts bevorstehende Ankunft wieder ein.
„Hören Sie mir bitte zu“, flüsterte sie angstvoll. „Mein Bruder kommt, um mich heimzuholen.“
„Dann rede ich mit ihm. Ihr Vater wird natürlich Vorbehalte haben, aber wenn er erst einmal begreift, daß ich in der Lage bin, Sie in Zukunft gut zu versorgen ...“
„Zukunft!“ Ihre Zukunft sollte von einem Glücksspieler abhängen? Elizabeth dachte an Havenhurst, an die Dienerschaft, die sich auf sie verließ, an die Ahnen, denen sie verpflichtet war. In diesem Moment hätte sie alles hervorgebracht, nur um Ian zurückzuweisen, bevor sie selbst die Beherrschung verlor und ihrer Schwäche erlag.
„Womit wollen Sie mich denn versorgen, Sir?“ fragte sie, und ihre Stimme klang tatsächlich kühl und erheitert. „Versprechen Sie mir auch einen faustgroßen Rubin, wie es Lord Seabury getan hat? Wollen Sie mir ebenfalls Zobel- und Nerzpelze zu Füßen legen, wie es mir Viscount Mondevale versprochen hat?“
„Ist es das, was Sie begehren?“
„Aber gewiß“, antwortete sie scheinbar fröhlich, obwohl sie nur mit größter Mühe ihre Tränen zurückhalten konnte. „Das ist doch das, was alle Damen begehren und alle Herren versprechen, nicht wahr?“
Sein Gesicht versteinerte sich, doch seine Augen schienen nach einer anderen Antwort zu suchen, als könnte er das Gehörte nicht glauben.
„Ach, lassen Sie mich doch endlich gehen“, rief sie schluchzend und stieß ihn vor die Brust.
Weder Elizabeth noch Ian bemerkten den Mann, der in diesem Moment das Gewächshaus betrat.
„Sie elender Bastard!“ brüllte Robert. „Hören Sie nicht, was sie sagt? Lassen Sie Ihre schmutzigen Finger gefälligst von meiner Schwester!“
Unwillkürlich legte Ian die Arme beschützend noch fester um Elizabeth, doch sie riß sich los und lief tränenüberströmt zu ihrem Bruder. „Robert, hör mir doch zu! Es ist ja gar nicht so, wie du denkst!“
Robert legte den Arm um sie, und sie flüchtete sich in Erklärungen. „Schau, dies ist Mr. Ian Thornton, und...“ „Und entgegen allem Anschein sind meine
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