Havenhurst - Haus meiner Ahnen
hat, oder?“
„Zum Teufel, du begreifst aber auch gar nichts! Er hat überhaupt nichts verfehlt. Es war eine glatte Beleidigung! Der Kerl stand da mit blutüberströmtem Arm und zielte auf mein Herz. In allerletzter Sekunde senkte er die Pistole und schoß mir die Quaste vom Stiefelschaft. Er wollte mir zeigen, daß er mich hätte töten können, wenn er gewollt hätte, und alle Anwesenden haben es gesehen. Das war eine gottverdammte Beleidigung!“
„Sie selbst hatten sich nicht daran gehalten, nur den symbolischen Schuß in die Luft abzugeben“, knurrte Lord Howard ihn an. „Sie haben sogar noch vor dem Kommandoruf gezielt geschossen. Damit haben Sie sich entehrt und mich dazu. Außerdem kommen wir alle in Arrest, wenn dieses Duell bekannt wird. Thornton hat Ihnen Satisfaktion gewährt, indem er erschienen ist und seine Waffe zunächst nicht gegen Sie erhoben hat. Er hat seine Schuld eingestanden. Was hatten Sie denn noch von ihm erwartet?“
Als könnte er Roberts Anblick nicht länger ertragen, machte Lord Howard kehrt und verließ den Raum.
Robert ließ sich aufs Sofa sinken. „Die Angelegenheit ist noch nicht ausgestanden!“ stieß er hervor. „Dafür werde ich diesen Bastard eines Tages töten!“
„Das wirst du nicht tun!“ rief Elizabeth mit bebender Stimme. „Bobbie, so höre doch! Du verstehst Ian Thornton nicht. Er hat mir nichts Böses getan. Er glaubte... er liebte mich. Er wollte mich heiraten, aber ich...“
Robert lachte laut und häßlich. „Das hat er dir erzählt? Ja, dann muß ich dich wohl ein wenig aufklären, du dumme Pute. Um seine eigenen Worte zu verwenden: Das einzige, was er von dir wollte, war ein Abenteuer im Bett!“
Alles Blut wich aus Elizabeths Gesicht. Langsam schüttelte sie den Kopf. „Nein, Robert, du irrst dich. Hast du denn nicht gehört, wie er zu dir im Gewächshaus sagte, seine Absichten seien ehrenhaft?“
„Er hat seine Absichten ziemlich schnell geändert, als ich ihm erzählte, daß du keinen Penny besitzt.“
Elizabeth konnte sich nicht mehr länger auf den Beinen halten; das schwere Gewicht ihrer eigenen Dummheit und Leichtgläubigkeit drückte sie nieder. Sie ließ sich in die Polster neben ihren Bruder sinken.
„Es tut mir so leid“, flüsterte sie hilflos. „Du hast heute morgen dein Leben für mich riskiert, und ich habe dir nicht einmal dafür gedankt.“ Sie legte ihm den Arm um die Schultern. „Die Dinge werden sich wieder für uns zum Guten wenden. Das haben sie ja bis jetzt immer getan“, fügte sie zuversichtlich hinzu.
„Diesmal aber nicht. Ich fürchte, wir sind ruiniert, Elizabeth.“
„So schlimm kann es doch gar nicht sein“, meinte sie unverzagter, als ihr zumute war. „Wahrscheinlich wird von dem Duell nichts durchsickern. Und dem Viscount Mondevale liegt etwas an mir. Er wird sicherlich ein Einsehen haben.“ Zum ersten Mal ließ sich auch Lucinda vernehmen. „Inzwischen muß Elizabeth weitermachen wie bisher, als ob nichts Außergewöhnliches geschehen wäre“, erklärte sie mit ihrem üblichen kühlen Sinn für das Praktische. „Falls sie sich im Haus versteckt, wird es erst recht Gerüchte geben. Und Sie, Sir, werden Ihre Schwester eskortieren.“
„Das nützt alles nichts“, widersprach er heftig. „Wir sind ruiniert.“ Und damit sollte er recht behalten.
★
Am Abend nahm Elizabeth mit ihrem Verlobten an einem Ball teil. Viscount Mondevale schien von dem Debakel des Wochenendes noch nichts zu ahnen, aber die blumigsten Versionen dieser Geschichte waren in Adelskreisen bereits in Umlauf.
Die Episode im Gewächshaus wurde zudem noch dadurch ausgeschmückt, daß es inzwischen hieß, Elizabeth habe Thornton schriftlich dazu eingeladen. Noch vernichtender war das Gerücht, sie habe mit ihm einen heimlichen Nachmittag in einer Holzfällerhütte verbracht.
„Dieser Bastard hat die Gerüchte selbst verbreitet“, wütete Robert am nächsten Morgen. „Er will sich dadurch reinwaschen, daß er behauptet, er habe von dir eine schriftliche Einladung ins Gewächshaus erhalten. Du bist nicht die erste Frau, die auf ihn hereinfallt, nur bist du die jüngste und leichtgläubigste. Allein in diesem Jahr werden Charise Jamison und ein halbes Dutzend andere Frauen mit ihm in Verbindung gebracht. Nur war keine von ihnen so naiv und so unvorsichtig wie du.“
Elizabeth hatte indessen nicht viel Zeit, sich ihrem eigenen Elend hinzugeben. Freunde des Viscounts Mondevale, die die Verlobungsanzeige gelesen hatten,
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