Havoc
links, rechts, links, links, rechts, links, rechts, rechts.
»Rechts! Nei n … links!«
»Bist du dir sicher?«
»Ja!«
Immer weiter hetzten sie durch die Gänge, bis Seth irgendwann hörte, dass die schweren Schritte ihres Verfolgers verhallten. »Er ist falsch abgebogen«, keuchte er und blieb kurz stehen. »Ich glaub, wir haben ihn abgeschüttelt.«
Alicia lächelte erschöpft. Ihr gutes Gedächtnis hatte sich ausgezahlt.
Links, rechts, links, rechts, links, links, rechts, links, rechts, rechts.
Und dann standen sie mit einem Mal wieder am Fuß der Treppe. Seth hätte vor Erleichterung beinahe losgeheult, als er sah, dass die Stahltür offen stand. Sie rannten die Stufen hinauf und knallten die Tür hinter sich zu.
Seth lehnte sich schwer atmend dagegen, während Alicia nach Luft ringend die Hände auf die Oberschenkel stützte.
Keine Minute später brachte ohrenbetäubendes Gebrüll die Stahltür zum Zittern. Seth und Alicia warfen sich einen panischen Blick zu, dann machten sie, dass sie aus dem Gebäude kamen, rannten über das Brachland, kletterten über die Mauer und sprinteten die Straße entlang. Erst als das Fabrikgelände weit hinter ihnen lag, blieben sie stehen.
Gefangen
1
Kady wurde so brutal in die Zelle gestoßen, dass sie stolperte und auf den kalten Metallboden fiel. Als sie sich wieder aufrappelte, sah sie Parke r – sie hatte vorher mitbekommen, dass die anderen ihn so genannt hatte n – mit verschränkten Armen in der Zellentür stehen.
Die metallenen Wände ihres Gefängnisses schienen zu vibrieren und in der Luft lag ein rhythmisches Seufzen, als wäre die Tauchstation ein lebendes, atmendes Wesen.
»Was soll das?«, rief Kady empört. »Wieso sperrt ihr uns ein?« Sie hätte niemals damit gerechnet, dass die Leute von Havoc, nach denen sie wochenlang gesucht hatten, sie so unfreundlich empfangen würden. »Wir sind hier, um uns eurer Gruppe anzuschließen.«
»Klappe!«, schnauzte Parker sie an. Er war klein und kräftig und hatte einen hässlichen Quadratschädel. Die ovalen Baulampen an den Wänden warfen dunkle Schatten auf sein Gesicht, was ihn nicht unbedingt sympathischer aussehen ließ.
Im Gang war Poltern zu hören und kurz darauf wurde Justin von zwei älteren Jungen zu Kady in die Zelle geworfen. Er blutete aus mehreren Wunden im Gesicht und sein rechtes Auge und seine Lippen waren angeschwollen. Die Jungen schleppten ihn in die Zelle und ließen ihn auf den Boden fallen. Kady eilte zu ihm und kniete sich neben ihn. »Justin? Kannst du mich hören? Justin!«
Justin stöhnte und rollte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den Rücken. Dann stützte er sich mühsam auf die Ellbogen, beugte den Kopf zur Seite und spuckte Blut aus.
»War das etwa schon alles?«, fragte er und blickte höhnisch zu seinen Peinigern auf. »Da hatte meine Mutter ja mehr drauf als ihr Weicheier.«
Einer der Typen wollte sich wutentbrannt auf ihn stürzen, aber sein Kumpel hielt ihn zurück. »Reine Energieverschwendung, Alter. Das ist der kleine Scheißer nicht wert«, sagte er, schob die Gittertür wieder zu und verriegelte sie.
Kady half Justin auf die Füße. Die Typen hatten ihn ziemlich übel zugerichtet. Hätten sie doch bloß Tatyana mitnehmen können. Die Säbelzahntigerin hätte diesen Idioten eine Lektion erteilt, die sie so schnell nicht vergessen hätten.
Kurz darauf kam Jan in den Zellenvorraum und betrachtete sie schweigend durch die Gitterstäbe. Sein völlig ungerührter Gesichtsausdruck machte Kady noch wütender. Sie sprang auf und rannte zum Gitter.
»Was soll das?«, fragte sie. »Behandelt ihr eure neuen Rekruten etwa immer so?«
»So behandeln wir Fremde«, sagte er und zeigte mit einer Kopfbewegung in Justins Richtung. Dann richtete er den Blick seiner eisblauen Augen auf Kady. »Und mögliche Verräterinnen.«
» Ich soll eine Verräterin sein?«, rief Kady fassungslos.
»Weißt du, wie lange es her ist, seit du losgezogen bist, um den Shard zu suchen?«, sagte Jan. »Ein Jahr! Ganz schön lange, um wieder zu uns zurückzufinden, wenn du mich fragst.«
»Ich war zu Hause«, sagte Kady. »In der richtigen Welt, meine ich.«
» Das hier ist die richtige Welt, Kady«, antwortete Jan. Er hatte einen leichten skandinavischen Akzent und redete so sachlich und nüchtern, dass es sie zur Weißglut trieb. »Jedenfalls für uns. Soweit ich gehört habe, bist du ohne den Shard zurückgekehrt.«
»Ein Freund von mir hat ihn und ist wahrscheinlich gerade mit ihm
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