Hawaii
zurückzukehren, war Wahnsinn, denn wenn sie ihr Volk damals durch die verheerende Feuersbrunst gewarnt hatte, würde sie das nächste Mal die ganze Siedlung mit allen Einwohnern vernichten. Dann schlug Teroro vor: »Ich werde mit Malama sprechen. Sie ist eine sehr weise Frau.«
Und Malama wußte einen Plan. »Die Insel weiß, daß du zurückgekehrt bist, um mich zu holen, und die Leute erinnern sich, daß meine Vorfahren Priester waren. Wenn sich nun die Frauen für unsere Reise versammelt haben, werden zwei von uns zu dem Hohepriester gehen und ihm sagen, daß wir einen der ältesten Götter Bora Boras mit uns nehmen wollten.«
»Wird er es erlauben?« fragte Teroro argwöhnisch.
»Er ist ein Priester Oros«, meinte Malama, »aber er ist auch ein Bewohner Bora Boras, und er wird unsere Liebe zu der Heimat verstehen.«
Der Plan gelang; aber als der mit Federn geschmückte rote Stein der Pele übergeben werden sollte, konnte sich der Hohepriester nicht entschließen, diesen Schatz in die Hände einer Frau zu legen, und so bestand er darauf, die Göttin Teroro anzuvertrauen. Als dieser schließlich die Seele Peles, die wilde, leidenschaftliche Seele der Feuergöttin in Händen hielt, hätte er jubeln mögen vor Triumph. Aber statt dessen legte er den Stein mit gleichgültiger Miene beiseite, als sei das nur ein Frauengott, eine Laune Malamas, und der Hohepriester dachte das gleiche.
Die Männer wurden gemästet und die Lebensmittel verpackt. Zwölf Frauen wurden ausgewählt und auf Hungerrationen gesetzt, um für die Reise vorbereitet zu sein. Auch König Tamatoas Lieblingsfrau war darunter, denn alle waren der Meinung, daß ihr König, da er nun mit seiner Schwester einen königlichen Erben von höchster Heiligkeit gezeugt hatte, wenigstens eine Frau haben sollte, die er liebte. Besonders großen Wert legte die Mannschaft auf Schweine, Bananen und Brotfrucht.
»Wir sehnen uns nach der süßen Brotfrucht«, erklärten sie.
Als alles bereit war, sah Teroro zu seinem Erstaunen, wie Malama noch ein großes Blätterbündel zum Kanu schleppte. »Was ist das?« rief er. »Blumen«, antwortete seine Frau. »Was sollen wir mit Blumen?« protestierte Teroro.
»Ich habe Pa gefragt, und er hat mir erklärt, daß es dort keine Blumen gibt.« Teroro sah sich unter seiner Mannschaft um, und ihnen fiel zum erstenmal auf, daß das Havaiki des Nordens keine eingeborenen Blumen hatte. Dennoch erschien das Bündel viel zu groß.
»Du kannst einfach nicht so viel mitnehmen, Malama«, protestierte er. »Die Götter lieben Blumen«, antwortete sie. »Wirf lieber ein Schwein hinaus.« Der Vorschlag war so unerhört, daß niemand aus der Mannschaft ihn beachtete. Doch kamen sie zu einem Kompromiß, und einer der kleineren Brotfruchtbäume wurde wieder ausgepackt. Dann kam die schöne und fröhliche Aufgabe, die Kinder auszuwählen. Die Männer wollten nur Mädchen mitnehmen, die Frauen nur Jungen, und der Kompromiß von einer gleichen Anzahl Jungen und Mädchen erschien niemand gerecht. Das Alter der zehn ausgewählten Kinder reichte von vier bis zwölf: dunkelhaarige, strahlende, gesunde Kinder, deren Gegenwart allein schon das Kanu erleichterte.
Als sie schließlich alle an Bord waren, wurde Teroro von dem Gewicht der Verantwortung fast niedergedrückt, die er übernommen hatte, und diesmal ging er ohne Arglist zu dem Hohepriester und bat: »Segne unsere Reise. Lege die Tabus fest.« Und der Hohepriester ordnete die Götter, berührte die Lebensmittel und Tiere und rief mit hoher Stimme: »Das ist tabu! Das ist tabu!« Als er fertig war, schien das Kanu sicherer zu segeln, und so brachen sie zu ihrer langen Reise in den Norden auf.
Das Kanu hatte kaum die Lagune hinter sich, als Pa mit dem Haifisch-Gesicht das aufreizende Bild Oros nahm und es in die Tiefen des Meeres werfen wollte. Aber zu seiner Verwunderung hielt ihn Teroro zurück und sagte: »Es ist ein Gott! Wir werden ihn ehrfürchtig am Strand seiner Heimatinsel niederlegen.« Er führte sein Kanu zu dem einst so gehaßten Havaiki des roten Oro, schlich sich an Land, ohne von einem Späher erblickt zu werden, legte Oro an einem geschützten Platz zwischen Felsen nieder und errichtete ihm eine kleine Hütte aus Palmblättern Da überkam ihn plötzlich die Gewißheit, daß er dieses Havaiki seiner Heimat nie wiedersehen würde, und während das Kanu auf ihn wartete, stand er am Strand der Insel seiner Vorfahren und sang das Lied des tapferen Volkes aus Havaiki in Asien,
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