Hazienda der Traeume - Julia Saisonband Bd 66
Der Strom war ausgefallen, im Dunkeln konnte ich meinen Morgenmantel nicht so schnell finden, und ich …“ Sie verstummte. Warum rechtfertigte sie sich vor dieser Haushälterin?
„Er ist zu Ihnen ins Zimmer gekommen. Ich habe es gesehen, und ich weiß genau, was passiert ist.“ Ihre dunklen Augen verengten sich vor Wut zu Schlitzen. „Ich weiß, worauf Sie aus sind. Das war mir vom ersten Augenblick an klar.“
Julie zog den Morgenmantel fest um sich und stand auf. Gebieterisch zeigte sie auf die Tür. „Verlassen Sie sofort mein Zimmer!“
„Sie werden es bereuen“,zischte sie.„Er hat eine schwarze Seele, ist vom Teufel besessen. Wenn Sie nicht aufpassen …“ Ihre schmalen Lippen verzogen sich zu einem hämischen Grinsen. „Wissen Sie eigentlich, dass seine Frau ertrunken ist?“
„Ja, das ist mir bekannt.“
Alicia kam näher – das Gesicht zur Fratze verzogen. Julie wurde es eiskalt vor Furcht. „Niemand weiß, was damals auf dem Wasser wirklich geschah. Nehmen Sie sich in Acht, sonst enden Sie auch am Grund des Sees.“
Julie riss sich zusammen. Sie hatte keine Lust, sich von dieser Person einschüchtern zu lassen und atmete tief durch. „Verschwinden Sie! In meinem Zimmer haben Sie nichts zu suchen.“
„Aber ihn empfangen Sie gern, oder?“ Alicia öffnete die Tür. „Halten Sie sich von ihm fern, sonst …“
Julie griff nach einem schweren Kerzenständer aus Messing. „Raus hier! Sofort!“
„ Puta “, zischte Alicia verächtlich und schlängelte sich aus dem Zimmer.
Wütend stellte Julie den Leuchter zurück und schloss die Tür ab. Diese Frau war offensichtlich völlig verrückt. Sie beschuldigte Rafael, seine Frau umgebracht zu haben.
„Da unten“, hatte Kico in seinem Albtraum geschrien. „Am Grund des Sees.“
Ihr wurde schwindlig. Sie musste sich am Bettpfosten festhalten. Vor ihrem geistigen Auge sah sie den grausamen Mund, die unglaublich dunklen Augen, die sie magisch angezogen hatten. Hatte Rafael tatsächlich etwas mit dem Tod seiner Frau zu tun, wie die grässliche Haushälterin behauptete?
Nein, niemals! Ein kleiner Junge, den der Tod seiner Mutter schwer quälte, hatte einen Albtraum gehabt. Das hieß noch gar nichts.
Julie ließ sich ein heißes Bad ein und streckte sich in der Wanne aus. Doch warm wurde ihr nicht. Eine eiskalte Faust schien ihr Herz zu umklammern.
Der Sturm, der in der Nacht über Janitzio gefegt war, war nur der Vorbote des Hurrikans mit dem passenden Namen Jezebel, der sich vor der Pazifikküste Mexikos zusammenbraute und schon erhebliche Schäden angerichtet hatte.
Wegen der drückenden Schwüle erschien Julie in Shorts und T-Shirt zum Frühstück. Hoffentlich hat Kico sich von seinem Albtraum erholt, dachte sie auf dem Weg zum Esszimmer. Vielleicht hatte er ihn sogar bereits vergessen. Der Tod seiner Mutter lag inzwischen ein Jahr zurück. Ob er seitdem häufig schlecht träumte?
Kico saß bereits am Tisch, der für drei Personen gedeckt war, obwohl Rafael sich nur selten zum Frühstück blicken ließ.
„Guten Morgen, Kico.“ Sie drückte ihm einen flüchtigen Kuss aufs Haar. „Alles in Ordnung?“
„Klar“, murmelte er, sah sie aber nicht an.
Sie nahm sich eine Scheibe Papaya und lächelte Eloise zu, die gerade mit einer Kaffeekanne aus der Küche kam.
„Davon hätte ich auch gern eine Tasse.“ Rafael setzte sich an den Tisch. „Guten Morgen, Señorita Julie, guten Morgen, Kico.“
„Guten Morgen, Papa.“
Julie warf ihm einen verstohlenen Blick zu. Rafael hatte sie nur flüchtig angesehen. Offensichtlich wollte er die Ereignisse der vergangenen Nacht übergehen. Vielleicht hatte sie sich seinen heißen, verlangenden Blick doch nur eingebildet?
„Ich habe heute in Mexiko City zu tun“, sagte Rafael. „Keine Ahnung, wann ich zurück sein werde.“
„Kann ich Sie telefonisch erreichen, falls etwas ist?“, fragte Julie kühl.
„Ich bin im Sheraton.“ Er wandte sich seinem Sohn zu. „Wie geht es dir heute Morgen, Kico? Alles in Ordnung?“
„Ja, Papa.“
„Es war nur ein Traum. Wir alle träumen mal schlecht. Während meiner Abwesenheit kannst du deine Zimmertür offen lassen. Dann hört Señorita Julie dich gleich, falls du wieder träumst.“ Er trank einen Schluck Kaffee, warf einen Blick auf seine Armbanduhr und fügte hinzu: „Ich muss die Zehnuhrmaschine von Morelia erwischen.“ Er wollte aufstehen.
„Willst du deinen Vater zum Abschied nicht umarmen, Kico?“, fragte Julie, was ihr einen
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