Head over Heels - Gaby Band 1 (German Edition)
Vorlieben, kaufe in einfachen Läden ein, esse in bodenständigen Restaurants. Auf die Wohnung könnte und möchte ich allerdings nicht verzichten. Sie bedeutet mir viel. Einen gewissen Standard erwartet man sich schon, vor allem dann, wenn man fünfundzwanzig Jahre nichts anderes gekannt hat.
Währe nd ich in den unendlichen Tiefen meiner Handtasche nach dem Wohnungsschlüssel krame, gehe ich in Gedanken meinen Kleiderschrank durch. Eigentlich habe ich wenig Bock auf die Fete heute Abend. Viel lieber würde ich mich nach einem derart aufreibenden Tag daheim verkriechen und lesen. Nach dem Theater mit und um Ben fühle ich mich wie ausgelutscht. Nein, nicht im erotischen Sinne. Ohne Doppeldeutigkeit bin ich einfach lustlos.
Ben ist wirklich nett, i ch finde ihn auch sexy, ohne das geht es bei mir nicht. Ich könnte mich auf keinen Typen einlassen, den ich nur okay finde. Vielleicht bin ich zu wählerisch, weshalb ich in den fünfundzwanzig Jahren meines Daseins auf diesem Planeten noch nie eine echte Beziehung geführt habe.
Ilka kommt mir in den Sinn, die mich gern mit meinem Bruder vergleicht. Vielleicht sind wir uns in mancher Hinsicht so ähnlich, da wir derselben verkorksten Familie angehören. Bindung, Familie, Kinder – all das klingt für mich nach den Verwünschungen einer alten Hexe, die in einem Topf mit Zaubertrank rührt. Ein Froschschenkel, die Strähne einer Jungfrau, einer blonden natürlich, Stiersperma und das Blut eines Ochsen. Ich kichere dämlich, während meine Hand weiter in meiner Handtasche wühlt.
Mann, was ist los? Wo ist dieser verdammte Schlüssel?
Mittlerweile knie ich a uf dem Boden, während der gesamte Inhalt meiner Handtasche vor mir ausgebreitet ist. Und da kommt einiges zum Vorschein. Falls mich jemand fragt: Ja, ich brauche das alles. Auch den alten Kaugummi, der aus der Verpackung gefallen ist und an dem Haare und Krümel von irgendeinem längst verspeisten Gebäck kleben. Den esse ich noch, verteidige ich mich. Wem gegenüber eigentlich?
Ben! Nein, Ben ist nicht hier. Aber er macht mich wa hnsinnig. Ich denke viel zu häufig an ihn. Auch jetzt, da ich die Handtasche umdrehe und schüttle, als würde gleich wie in einem Disney-Streifen ein Fahrrad, ein Auto oder eine verschwundene Oma herauspurzeln.
Viel e Krümel und noch mehr lose Kaugummis sind das Einzige, was ich finde. Ach da, ein Schlüssel.
„Verdammt“, brumme ich und p lumpse auf meinen Hintern. „Ilkas Schlüssel.“
Ich brauche diesen Schlüss el unbedingt. In meiner Handtasche befinden sich an Wechselklamotten lediglich ein Slip, ein Top, welches ich bereits gestern getragen habe, und ein BH. So kann ich keinesfalls weggehen.
M eine eigene Dummheit verfluchend räume ich die Tasche ein und bestätige dabei alle Vorurteile in Bezug auf Reiche: Sie sind Egoisten, nehmen sich das Beste und lassen die Krümel und Kaugummis liegen.
Nachdem ich nach einer gefühlten Ew igkeit endlich ein Taxi ergattert habe, mache ich mich erneut auf in Richtung Islington, wo Ilkas Wohnung liegt. Also die Wohnung, die ihrem Bruder gehört und in der sie wohnen darf. Ganz schön kompliziert. So wie eigentlich alles im Leben meiner besten Freundin. Ich blicke bei ihrer Familie nicht richtig durch, verstehe ihre Eltern schlecht, auch wenn sie seit Jahren in England leben. Sie sind nette Leute, doch glaube ich, dass sie mich nicht wirklich leiden können.
Eilig dr ücke ich dem Taxifahrer Geld in die Hand und spurte wie ein aufgeschrecktes Eichhörnchen die Stufen in die vierte Etage hoch. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass Ilka noch unterwegs ist. Zahnarztbesuch oder etwas in der Art. Jedenfalls kann sie gar nicht zu Hause sein, da ich ihren Schlüssel gemopst habe.
Ruhig, ermahne ich mich. Warum bin i ch eigentlich so durch den Wind? Es geht doch schließlich nicht um Leben und Tod, sondern nur um eine Party.
Na ja, es wirft mich ungefähr eine Stunde in meinem Zeitplan zurück und ist einfach die Krönung dieses verfickten, nicht enden wollenden Tages.
Ich gehe in Ilkas Schlafz immer, wo ich den Schlüssel am ehesten vermute. Die Feier von gestern sieht man der Wohnung an, weshalb ich das Fenster öffne und zumindest für Frischluft sorge. Ich durchwühle den Kleiderberg, stecke meine Hand in jede noch so kleine Öffnung, finde aber nirgendwo meinen Schlüssel.
„Mann, lass mich ni cht im Stich“, murmle ich vor mich hin und sehe unterm Bett nach. Außer einer schwarzen partnerlosen Socke befindet sich nichts
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