Head over Heels - Gaby Band 1 (German Edition)
Warum?“
„Weil mich das Theater z u langweilen beginnt. Versteh mich nicht falsch. Ich habe das Gefühl, dass ich nicht weiterkomme. Dass ich als unbekannte Nebenfigur ende.“
„Dann dürstet dich nach Ruhm und Glamour?“
„Nein. Ich möchte mich lediglich weiterentwickeln.“ Er schweigt. Starrt auf den Parkettboden. „Die Rolle ist für ein halbes Jahr ausgelegt. Das reicht mir, um dort hineinzuschnuppern. Danach kann ich entscheiden, was ich möchte.“
Er steht auf, dämpft die Zigarette aus und fährt sich übers Gesicht. „Nein, Gaby. Du kannst nicht danach entscheiden, was du möchtest. Keiner wird ein abgestempeltes Gesicht nehmen. Keiner will eine geformte Figur.“
„Wir reden von einem halben Jahr.“
„Mach , was du willst.“
S chnaubend erhebe ich mich aus meiner bequemen Position. „Pierre.“
„Ich habe Hoffnungen in dich gesetzt, Gaby. Ich dachte, du würdest einmal eine ganz Große werden. Anscheinend habe ich mich getäuscht.“
Stinksau er packt er seinen Pullover und eilt auf die Tür zu. Dort dreht er sich noch einmal um und schenkt mir einen väterlichen Blick. Jenen Blick, den ich so liebe, mit dem er mich aber nur selten bedenkt. „Ich werde kein Soap-Sternchen unterrichten. Überleg es dir gut.“
Er lässt mich stehen. Eine s chreckliche Situation ist das. Einmal mehr habe ich das Gefühl, dass mir mein Leben entgleitet. Alles erscheint verworren. Ich bleibe noch lange in Gedanken versunken sitzen. Aufgewühlt bin ich. Ausgelaugt. Am Boden zerstört. Erst als mein Handy klingelt, mich zurück ins Hier und Jetzt reißt, kommt wieder Bewegung in mich.
Meine Mom. Ich seufze. „Hi“, melde ich mich und ahne, dass sich meine Stimmung nicht bessern wird.
Zurzeit ist es nicht leicht mir ihr. Vermutlich ist jeder in meiner Familie schwierig. Ich frage mich, wie es mir gelungen ist, Freunde zu finden, die mich so akzeptieren, wie ich bin.
Meine r Mutter geht es nicht gut. Dass sie meinen Vater endlich verlassen hat und sich nun einsam fühlt, was ich durchaus verstehe, macht die Sache nicht besser.
„Gaby, Liebes, i ch wollte fragen, ob du heute Mittag Zeit für mich hast.“
„ Natürlich. Wo treffen wir uns?“ In meiner Handtasche krame ich nach einem Spiegel.
„Wo immer du möchtest“, schiebt sie mir die Entscheidung zu. Und natürlich wird sie meckern, wenn ihr in dem von mir ausgesuchten Lokal das Essen nicht schmeckt.
Da ich weiß, dass meine Mutter Restaurants mit Stil und Klasse bevor zugt und niemals im Leben – oder nach ihren eigenen Worten nur über ihre Leiche – in einen Imbiss gehen würde, durchforste ich mein Gedächtnis nach einer passenden Adresse. „Keine Ahnung – das Hix ?“
„Klingt gut. Dann treffen wir uns in einer halben Stunde dort?“
„Wird gemacht.“
Das Hix ist wie immer gut besucht. Angefangen von reichen Wichtigtuern in Anzügen, denen die schwere Last der Weltwirtschaft die Schultern niederdrückt, bis hin zu Normalsterblichen, die sich einmal den Luxus einer hervorragenden Küche leisten wollen, sind alle Gesellschaftsschichten vertreten. Ich zähle mich zu beiden, was meine Mutter nicht gelten lassen würde.
Stil, gutes Benehmen, Ehrgeiz und Höfl ichkeit sind für sie so wichtig wie für andere Menschen, dass sie jeden Monat pünktlich ihre Miete zahlen können. Sie versteht nichts von der kalten, harten Welt außerhalb der eingezäunten, mit Überwachungskameras ausgestatteten Villa, die von Geburt an ihr Zuhause gewesen ist. Ich liebe meine Mutter. Wahrhaftig und ehrlich. Doch ich schäme mich für ihr abgehobenes Weltbild. Sicher, sie engagiert sich. Kümmert sich um Arme und Kranke, so wie man es von einer Frau aus ihren Kreisen erwartet – und damit auch von mir. Aber sie versteht nicht wirklich, was es heißt, einen Job zu haben, Geld verdienen zu müssen, um sein Auskommen zu finden. Sie weiß es nicht besser. Und ich kann sie auch gar nicht verurteilen. Wir sind die Oberschicht, streicht sie bei jeder Gelegenheit hervor. Es ist ermüdend, dieser Schicht anzugehören und die hochgesteckten Erwartungen zu erfüllen.
S eitdem ich fünfzehn bin, versuche ich, mich davor zu drücken. Ich passe nicht in diese aufgeblasene Welt, in der nur Geld, Macht, Einfluss und Aussehen zählen. Viel wohler fühle ich mich in der Umgebung, in die ich mich geflüchtet habe. Viel lieber würde ich am Nachbartisch bei den vier Frauen in meinem Alter sitzen und die Kerle zwei Tische weiter einer Inspektion
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