Head Shot: Thriller (Knaur TB) (German Edition)
geeignet war. Angesichts der Erfahrung der Bosnier mit Heckenschützen vertraute ich seinem Urteil.
Die verbleibende Zeit hingen wir im Fernsehzimmer ab, die Bosnier rauchten, und ich kritzelte Notizen an mich in den kleinen Block, den ich immer in der Hosentasche mit mir herumtrug. Eine Gewohnheit, die ich in den ersten Tagen meiner Genesung angenommen hatte, als mein Gedächtnis lernte, wieder zu funktionieren, und meine Vorstellungskraft meinen organisatorischen Fähigkeiten noch weit voraus war.
In diesem Moment allerdings diente es keinem tieferen Zweck, als mich zu beruhigen und meine Zweifel und Ängste – die ständig im Hintergrund lauerten – im Zaum zu halten. Kontrolllisten und Arbeitspläne hatten diese Wirkung auf mich. Sie ordneten die Welt und drückten einen gewissen Optimismus aus. Warum eine Kontrollliste erstellen, wenn man glaubte, die einzelnen Punkte niemals abhaken zu müssen?
Endlich kam der Moment des Aufbruchs. Ich fuhr mit Little Boy in seinem Minivan, und die anderen folgten im Outback, den sie mit ihrem Zigarettenqualm vorübergehend verseuchten, aber ich war wohl kaum in der Lage, mich darüber zu beschweren.
Als wir auf dem Parkplatz eintrafen, lehnte Jenkins bereits an einem gemieteten Kastenwagen, auf dessen Seiten Werbebanner für billige Reisen nach Hawaii warben, angereichert mit Bildern von Palmen und Hula-Röcken. Jenkins, der wie die meisten seiner Männer eine Zigarette rauchte, wirkte leicht gelangweilt.
Er winkte träge, als wir vorfuhren, und ließ seine Zigarette in einem kleinen Funkenregen zu Boden fallen. Ich stieg aus dem Van, ging hinüber zu Jenkins und begrüßte ihn, gefolgt von Little Boy, der sich ein paar Schritte hinter mir hielt. Die übrigen Bosnier parkten an der Straße und überquerten dann, mindestens drei Meter Abstand zwischen sich lassend, den Parkplatz. Jenkins beobachtete all das mit einer Miene, die entweder widerwilligen Respekt oder unkontrollierbare Verachtung ausdrückte.
Little Boy ging hinüber zu Jenkins und begrüßte ihn mit zum Abklatschen erhobener Faust, eine Geste, die Jenkins erwiderte. Alle anderen hatten die Hände in den Taschen, atmeten Dampf und scharrten mit den Füßen. Das grelle Licht der Flutlichtanlage verwandelte uns alle in von hinten ausgeleuchtete Scherenschnitte. Schon bald zündeten sich die ersten Männer auf beiden Seiten Zigaretten an.
»Wir haben die schweren Kartons«, sagte Little Boy. »Haben Sie das Geld?«
Jenkins drehte sich um und zeigte uns seinen Rucksack, dann drehte er sich wieder zurück.
»Selbst in gebrauchten Hundertern ist eine halbe Million eine Menge Papier, wissen Sie«, sagte er.
»Ich muss wenigstens kurz nachsehen«, erwiderte Little Boy und schaltete eine kleine Taschenlampe ein.
»Nur zu«, sagte Jenkins und bot ihm erneut den Rücken.
Little Boy zog den Reißverschluss auf und spähte hinein. Einen langen Moment später sah er zu mir herüber und hob den Daumen.
»Okay«, sagte ich und nickte Little Boys Mannschaft zu. Sie öffneten die Heckklappe des Subaru und begannen, die Metalle in Jenkins’ Fahrzeug umzuladen. Mittendrin streckt Little Boy den Arm aus und packte Jenkins’ Rucksack.
»Brr, Kumpel, nicht so hastig«, knurrte Jenkins.
»Wir liefern gerade«, sagte Little Boy. »Sie sind dran.«
Jenkins gab weder nach noch trat er außer Reichweite. Wir blieben einfach alle so stehen und beobachteten den Umzug der kleinen Kartons. Als der letzte entladen wurde, rüttelte Little Boy sanft an dem Rucksack.
In diesem Moment griff Jenkins in seinen Blazer und zog einen silbernen Revolver heraus.
Little Boy ließ sich zu Boden fallen und hielt schneller, als man denken konnte, eine gigantische vergoldete Automatik in beiden Händen, die auf Jenkins’ Kopf zielte. Einer von Jenkins’ Jungs hielt das für den geeigneten Moment, seinen Ellbogen einem der Bosnier ins Gesicht zu rammen, woraufhin der Bosnier vorhersehbar reagierte, indem er den Ellbogen mit dem linken Arm abwehrte und einen rechten Haken mitten im Gesicht des anderen Kerls plazierte.
Von da an ging es bergab.
Jenkins brüllte mit erhobenen Händen: »Alles cool, alles cool«, die einzig vernünftige Reaktion, wenn eine Kanone auf die eigene Stirn zielt. Doch seine eklige kleine Waffe hatte er noch in den Händen. Seine Kollegen waren nicht so geneigt, sich auch nur halbwegs zu ergeben. Mindestens zwei Schlägereien hatten eingesetzt, die Gegner gleichwertig, jeweils um die hundert Kilo schwer, erfahren
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