Head Shot: Thriller (Knaur TB) (German Edition)
schwarzem, welligem Haar, das sie in der Mitte scheitelte und über der Stirn mit Haarspangen zurückhielt. Ihre Nase war groß und ein bisschen krumm, ihre schwerlidrigen Augen standen weit auseinander. Sie trug einen einfachen Regenmantel und eine Aktentasche.
Vermutlich seine Tochter.
Ich vermerkte den Zeitpunkt der Aufnahme und filmte weiter. Sebbie erschien eine Stunde später in ungefähr derselben Aufmachung wie am Tag zuvor. Zwei Stunden später kehrte er zurück. Ohne Magazin.
Ich filmte in Zeitlupe, wie er den Schlosscode eingab. Die Schärfe der HD -Kamera und die Manipulation der Software machten es beinah zu einfach. Fünf Ziffern: fünf, vier, neun, eins, null.
Das war das letzte Ereignis des Tages. Ergo war die Frau noch draußen. Nach einem raschen Blick auf die neuesten Aufnahmen filmte ich weiter und beobachtete das Ganze auf meinem Laptop, der als Monitor fungierte.
Ich bin überzeugt, dass es langweiligere Dinge gibt, als stundenlang eine geschlossene Tür zu beobachten, allerdings kenne ich sie nicht aus eigener Erfahrung. Um einundzwanzig Uhr kehrte sie endlich nach Hause zurück, beladen mit einigen Einkaufstüten und der Aktentasche.
Erleichtert fuhr ich nach Hause und ging früh zu Bett, damit ich am nächsten Morgen zeitig aufstehen und mich der Überwachung des Frondutti-Apartments widmen konnte. Diesmal nahm ich meine große Kamera mit dem Teleobjektiv mit.
In einer überdachten Bushaltestelle fand ich den idealen Überwachungsposten. Ich musste zwar durch eine schmutzige Plexiglasscheibe schauen, hatte dafür aber direkte Sicht auf den Eingang. Ich kaufte mir eine Zeitung und gab vor zu lesen, während ich alle paar Sekunden über den Rand spähte, die Augen hinter meiner Sonnenbrille verborgen.
Um ungefähr dieselbe Zeit wie am Vortag öffnete sich die Tür, und die Tochter trat mit ihrer Aktentasche heraus. Ich faltete die Zeitung, klemmte sie unter den Arm und folgte ihr, wie ich nur wenige Tage zuvor ihrem Vater gefolgt war.
Es war so warm geworden, dass ein Restaurant sich bemüßigt gefühlt hatte, Tische und Stühle auf dem Bürgersteig aufzustellen, um die morgendlichen Kaffeetrinker abzufangen. Die Tochter blieb stehen, ignorierte das »Bitte warten Sie, bis Ihnen ein Platz zugewiesen wird«-Schild und setzte sich an einen der Tische. Ich weiß nicht, was der Kellner dazu sagte, aber er nahm ihre Bestellung auf. Ich schlenderte (kann man humpelnd schlendern?) über die Straße und gab mir den Anschein eines Menschen, der etwas weit über den Köpfen der Cafébesucher Befindliches fotografieren will. Lässig schoss ich eine Reihe von Fotos, scheinbar zufällig, bis ich ein halbes Dutzend deutliche Aufnahmen der jungen dunkelhaarigen Frau im Kasten hatte, wie sie etwas trank und ein Stückchen Plunder verzehrte.
Danach hielt ich mich von der Straße möglichst fern, schaute nur einmal täglich vorbei, um die Tagesaufnahmen herunterzuladen und die Gewohnheiten Sebbies und der Frau aufzuzeichnen, die von einmaliger Beständigkeit waren. Die einzige Variable schien das Eintreffen am Abend zu ein, doch erschienen sie nie vor achtzehn Uhr.
Ich ließ eine Woche verstreichen. Dann stand ich eines Morgens um halb fünf auf und verbrachte die letzten Nachtstunden damit, mein Gesicht mittels Theaterschminke zu verändern. Ich zog einen Pullover über eine Fleece-Weste, die ich mit in die Taschen gestopften Socken noch weiter ausgebeult hatte. Der Eindruck eines dicken Mannes war zwar nicht völlig überzeugend, aber zumindest sah ich nicht nach mir aus. Nicht mehr.
Ich schlüpfte in Latexhandschuhe und zog ein Paar aus Leder darüber. Sie waren zwar der Jahreszeit definitiv nicht angemessen, aber ich konnte schließlich nicht die ganze Zeit die Hände in den Taschen behalten.
Diesmal ging ich nicht ins Büro, sondern lungerte auf der Straße herum, bis ich die Frau aufbrechen sah. Sechzig Minuten später verließ Sebbie das Haus für die üblichen zwei Stunden. Ich wartete noch eine halbe Stunde, ehe ich mich so flüssig wie möglich zum Eingang bewegte und den Code eingab.
Die Tür sprang auf, und ich ging hinein. Vor mir sah ich eine Treppe, die oben vor einer weiteren Tür endete. Ich erklomm die Stufen und drehte probehalber den Knauf, woraufhin sie sich in einen mit Möbeln vollgestellten Raum öffnete, dessen Wände mit Bildern und Fotografien überladen waren, die buchstäblich keinen Zentimeter Platz ließen. Rasch durchquerte ich das Apartment und fand am Ende eines
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