Head Shot: Thriller (Knaur TB) (German Edition)
schmalen Flurs die Schlafzimmer.
Die Betten waren ordentlich gemacht, und in der Luft lag frischer Zitronenduft, der vom reichlichen Gebrauch von Möbelpolitur zeugte. Sebbies Zimmer war leicht zu erkennen. Ich nahm den zwanzig mal dreißig Zentimeter großen Farbabzug seiner Tochter aus dem Umschlag, der hinten in meinem Hosenbund steckte. Auf die Rückseite hatte ich mit der linken Hand die Nummer eines weiteren Wegwerfhandys notiert.
Ich legte ihn auf sein Kopfkissen und ging. Als ich die Treppe hinunterstieg, hielt ich den Blick starr auf die Tür gerichtet und flehte sie an, geschlossen zu bleiben, wie es den Angewohnheiten der Fronduttis entsprach.
Unten angekommen, lief ich zu meinem Outback und fuhr ihn auf den Parkplatz hinter dem Büro. Dort entfernte ich die externe Festplatte, ließ den Rest der Anlage aber stehen. Ich kontrollierte den Raum auf mögliche Spuren meiner Anwesenheit, dann verließ ich das Büro zum letzten Mal.
Erst als ich mich wieder sicher in meinem Haus in Wilton befand, bemerkte ich, wie schnell mein Puls ging, wie trocken mein Mund war und dass meine Hände leicht zitterten. Ich legte mich aufs Bett und lauschte dem Dröhnen des Herzschlags in meinen Ohren, den ich mit langsamen, tiefen Atemzügen zu beruhigen suchte.
Es war nicht das erste Mal, dass ich mich in eine gefährliche Situation gebracht hatte. Obwohl es nicht mit den melodramatischen Tätigkeiten eines Krimi-Detektivs zu vergleichen war, hatten mich Ermittlungsarbeiten für legale Mandanten gelegentlich mit Leuten zusammengebracht, die durchaus zu mehr in der Lage waren als zu wüsten Schimpfworten. Damals hatte ich schon gespürt, wie sich das anfühlt. Ich wusste, dass ich nervös, ängstlich oder geradezu panisch war, während ich diese Gefühle erlebte. Das hier war eine seltsam verzögerte Reaktion, als ob die normalen körperlichen Reaktionen in der Schwebe geblieben wären, bis ich das Ding durchgezogen hatte.
Falls das zutraf, handelte es sich wahrscheinlich um eine Folge meiner Kopfverletzung. Und einen eindeutigen Vorteil. Unter der Voraussetzung, dass ich die nachgelagerten Symptome unter Kontrolle bekam, ehe ich einem Herzinfarkt erlag.
Nachdem ich mein Nervensystem wieder im Griff hatte, legte ich die weitere Vorgehensweise fest. Falls Sebbie wirklich der Soziopath war, für den Henry Eichenbach ihn hielt, und ihm Folter und Tod seiner engsten Freunde und die Gefahr für seine Tochter gleichgültig waren, musste ich ihn streichen und mit einem anderen vielversprechenden Gangster weitermachen. Was immer die Kugel meinen sozialen Affekten, meiner Empathie und Gelassenheit angetan hatte, ich war nicht bereit, irgendeins der Dinge zu tun, mit denen ich gedroht hatte.
Zwei Stunden später klingelte das Telefon.
»Du beschissener Schwanzlutscher«, sagte Sebbie.
Ich legte auf, und er rief umgehend wieder an.
»Anstand, Mr. Frondutti, oder der Deal ist geplatzt«, sagte ich.
»Das nennen Sie anständig? Meine Frau zu bedrohen?« Ich schwieg in die Leitung, während ich verdaute, dass die Frau, die ich für seine Tochter gehalten hatte, seine Gattin war. »Und wie hört das jetzt auf?«, brach er schließlich das lange Schweigen.
»Haben Sie einen Computer?«
»Nein, aber meine Frau.«
»Wissen Sie, wie man damit umgeht?«
»Klar. Übler Scheiß, diese Geräte.«
»Ich brauche die Kontaktdaten dieser fünf Leute, um die ich gebeten hatte. Niemand von außerhalb des Drei-Staaten-Bereichs. Ich werde Ihnen eine Verschlüsselung diktieren. Haben Sie was zum Schreiben?«
Er fluchte noch eine Runde, sagte dann aber, er sei bereit. Ich ersetzte jedes Zeichen des Alphabets durch eine Zahl und Symbole wie @ durch ϖ . Der Code war äußerst simpel, aber ich durfte Sebbie nicht überfordern, selbst wenn ich einen komplizierteren zur Hand gehabt hätte.
Nachdem er sich alles aufgeschrieben hatte, sagte ich: »Benutzen Sie keinesfalls den Computer Ihrer Frau. Nehmen Sie den in der Bücherei. Gehen Sie auf eine Seite namens wallbox.com.« Ich nannte ihm Login-Namen und Passwort. »Das ist eine Art Internet-Briefkasten. Verschlüsseln Sie die geforderten Informationen mit dem Code, den ich Ihnen diktiert habe. In spätestens vier Stunden müssen sie vorliegen. Nach diesem Gespräch werden Sie nie wieder von mir hören, es sei denn, ich bekomme die Daten nicht. In diesem Fall werden die Konsequenzen umgehend erfolgen.«
Zwei Stunden später kontrollierte ich das Postfach, und die Nachricht war da. Ich kopierte
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