Hear the Wind blow
Schaufenstern, eins davon mit Arbeitskleidung. Eine Agentur für Landwirtschaftsmaschinen. Tankstelle, Autoreparatur und Schrottplatz, mit ein paar vergammelten Motelbaracken hinten dran. Stadthalle für alle Anlässe, Kino, Versammlungsstätte der Kirchengemeinde und dergleichen. Eine Brücke, die über einen munteren Strom führte, zweifellos Carmen Spring persönlich.
»Wer wohl Carmen war ?« fragte ich mich und hielt vor der einzigen Ampel des Ortes, die natürlich auf Rot stand.
»Wen interessiert’s «, sagte Sara. »Da drüben.« Sie zeigte auf etwas und hielt mir ihren Arm quer vors Gesicht. » Tim’s Tavern .«
»Das sehe ich auch .« Als die Ampel ungefähr fünf Minuten später auf Grün schaltete, überquerten wir die Kreuzung und fädelten uns in Tims Parkplatz ein. Ein paar Kraftfahrzeuge standen bereits da, ein alter Ford, ein heruntergekommener Datsun und zwei altgediente kleine Lieferwagen. Ich warf dem Schwachkopf einen Blick zu.
»Alles klar ?«
»Ans Werk, Paps«, sagte sie.
»Und vergiß nicht, als erstes besorgst du dir ein bißchen Kleingeld und rufst L.A. an«, schärfte ich ihr ein.
» Vergeß ich nicht«, sagte sie und kletterte auf ihrer Seite raus. »Herrgott noch mal.«
Ich schälte mich ebenfalls aus dem Wagen, schaute zum Himmel auf und streckte mich ausgiebig. Tim’s Tavern sah von außen wie jede andere Kleinstadtbar aus — niedrig, rechteckig, aus ungestrichenem Löschbeton erbaut, Neon-Bierreklame in den Fenstern. Ein großes, handgeschriebenes Schild an der Tür machte einem die freudige Mitteilung, daß die Happy Hour von halb fünf bis sieben währte.
Wir gingen hinein. Ich betrete immer wieder gern eine neue Bar. Ich betrete auch gern die alten, aber bei den neuen hat man immer die leise Hoffnung, daß vielleicht irgend etwas Unerwartetes passiert, nennen Sie es Abenteuer, nennen Sie es Romanze, nennen Sie es, wie Sie wollen. Auf eine gewisse Art ist es ein bißchen so, als käme man zum erstenmal in eine Großstadt, bei Nacht, wenn die Narben und der Dreck durch viele barmherzige Lichter verdeckt werden. Es war jedoch höchst unwahrscheinlich, daß ich in Tim’s Tavern ausnahmsweise mal auf Romanze stoßen würde, nicht, daß ich zu der Zeit auf dem Markt gewesen wäre; das eine oder andere wie auch immer geartete Abenteuer würden wir aber höchstwahrscheinlich doch erleben.
Und Tim’s Tavern sah auch von innen aus wie jede Kleinstadtbar , aber will man es im Grunde anders haben? Langer Tresen auf der rechten Seite, Beilkespiel zur Linken, zwischendrin ein paar Tische. Weiter hinten standen ein Poolbillard, zwei Flipper und eine Jukebox . Hinter der Bar hingen Schilder mit den üblichen Sprüchen: »Gratisdrinks gibt’s morgen«, »Ich hab eine Abmachung mit meinem Bankdirektor — ich verleihe kein Geld, und er verkauft keinen Alkohol«, »Trinken ist ein langsamer Tod — aber wer hat’s eilig?«, »Arbeit — der Fluch der trinkenden Massen«, »Frag nicht mich, frag den Boss — meine Frau«.
Der Mann hinter dem Tresen war klein, rotwangig und von der gutgelaunten Sorte. Er trug eine John-Deere-Mütze , ein kariertes Hemd, eine rote Fliege und grellrote Hosenträger. Zwei Farmer-Typen saßen an einem der Tische, kippten Schnäpse und gossen Bier nach. Ein Oldtimer klebte auf dem letzen Hocker am Ende der Bar, vor ihm stand ein leeres Bierglas. Alle vier blickten auf und schauten mich an, als wir den Laden betraten, dann schauten sie Sara an, nur länger, und dann guckten sie alle höflich wieder weg. Oder sie trauten ihren Augen nicht.
» Tachchen « begrüßte ich leutselig die Versammlung. Einer der Farmer nickte mir zu. Ich nahm auf einem Barhocker Platz. »Fred. Fred Perkins. Und ich hatte auch eine Tochter, als ich reinkam .« Ich blickte mich suchend nach der tauben Nuß um, sie trödelte an der Tür rum. »Sind Sie Tim ?«
»Mein Leben lang gewesen«, sagte der Gnom hinterm Tresen. »Kann ich euch was Gutes tun ?«
»Ich könnte ein Glas Bier gebrauchen«, gestand ich. »Wie steht’s mit dir, Sara ?«
»Werks«, sagte sie. »Genauso stelle ich mir den idealen Urlaub vor, zuzugucken, wie du Bier trinkst .«
Ich warf Tim, der ein Frischgezapftes auf einen Bierdeckel vor mich hinstellte, einen »Die Jugend von heute, da ist man machtlos«-Blick zu. Ich nahm einen tiefen Zug aus dem Glas, schnalzte mit den Lippen und sagte dann: »Trinken Sie einen mit ?«
Er zog eine Schau ab, als müsse er sich die Sache gründlich überlegen, guckte auf die
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