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Heart beats sex

Heart beats sex

Titel: Heart beats sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Driest
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verstand nichts, aber das krächzende Gelächter spann mich ein, und ich spürte, wie der Wodka mich zu drehen begann.
    Wo war Hank eigentlich? Als ich mich nach ihm umschaute, war er fort. Ich sah ihn in einiger Entfernung an seinen Decks. Die Padilla-Combo packte zusammen. Vielleicht würde Hank den zweiten Teil für die Jüngeren unter den Gästen übernehmen. Im Moment spielte gar keine Musik, Hank kramte in seinen Seiten herum, um seinen Auftritt vorzubereiten.
Von seinen Decks aus hatte er volle Sicht auf mich, und es konnte ihm nicht entgehen, dass niemand sich um mich kümmerte und niemand sich für mich interessierte. Es war so unangenehm wie ein zu enges Kleid, und ich fühlte mich unsicher. Schnell stöckelte ich zur Bar hinüber, wo sich neben mir eine der alten Frauen Grappa nachgoss und mich mit rauer Stimme fragte: »Grappa oder Wodka?«
    Das gefiel mir. »Wodka«, sagte ich.
    Sie goss ein, ich dankte, aber sie hörte nicht, und ich musste schreien: »Stopp! Stopp! Stopp!«
    Sie lachte und prostete mir zu. Wir stießen an, dann goss sie mir wieder ein. Beim dritten Wodka erzählte ich ihr von den alten Traditionen auf spanischen Hochzeiten, doch ich glaubte, sie verstand nicht ein Wort und war nur damit beschäftigt, weiter Wodka einzugießen. Als mir schon ganz heiß war, fing sie an, trotz der ganz anderen Musik, ein francistisches Marschlied zu krächzen. Hank gegen Franco. Hank war ein ganzer Mann, dachte ich. Im Vergleich mit den Bübchen aus Berlin war ich beeindruckt von seinem männlichem Geruch, von seiner Stärke, und plötzlich hatte ich den Wunsch, von ihm geführt und beschützt zu werden.
    Schnell kippte ich meinen Wodka und ging zu ihm. Alkohol macht mutig. Ich stellte mich direkt vor ihn hin. Er grinste mir charmant zu, schob die Lautstärkeregler hoch, und ich begann zu tanzen.
    Ich weiß nicht, wer von den Gästen die Musik mochte, die Padilla gemacht hatte, aber das, was Hank fabrizierte, war etwas anderes. An meinem Geburtstag im Pacha hatten seine Mixes mich noch nicht wirklich angesprochen, es war halt Techno, wie ich’s schon mal irgendwo gehört hatte, aber heute lief es richtig gut. Es war nicht nur der meiste Wodka meines Lebens, es war auch die beste Musik, und ich verstand
plötzlich, was Ulya meinte: dass Techno einen eher erregt und man mehr Energie bekommt. Sie hatte Recht, die Musik zog den Adrenalinspiegel hoch und füllte meinen Kopf mit positiven Gedanken. Vielleicht waren es keine Gedanken, sondern nur Stimmungen, Bilder, Bildfetzen, erotische Impulse. Ulya meinte, man brauche keine Drogen, weil diese Musik einen voll draufbringt, und ich verstand es jetzt: Die Musik war das, was puscht, was aufregt, was glücklich macht. Auf einer Party will man nicht traurig sein, keine traurige oder schnulzige Musik hören, kein larmoyantes Gesülze, man will sich einfach bewegen und tanzen, so als wenn der schärfste Kaffee durch einen durchläuft. Das geht nur mit dieser Musik. Ulya, du hast Recht! Ich lachte und drehte mich wie ein Derwisch. Ich hatte Platz, die Hochzeit hüpfte oder hinkte auf der anderen Seite des Hauses, und ich konnte ohne jede Besinnung all die einst gelernten Choreographien abrufen und zu Hanks Rhythmen toben lassen. Danke, Hank! Danke, Ulya!
    Sie hatte einmal die Musik mit dem Bienengesumm auf der Insel verglichen, und heute Abend verstand ich es: Die Insel selbst ist die Musik – die Grillen, die Hunde, die Esel, der Gesang der verschiedenen Winde – der Tramuntana, der Mestral, der Gregal, der Llevant, der Xaloc, der Migjorn, der Barbi nd Ponent. Diese Winde aus allen Himmelsrichtungen bringen andere Stimmungen, andere Töne, andere Musik. Aus der Tiefe der Geschichte kommen die arabischen Klänge, der Singsang der Zigeuner, kam später die Invasion der Hippiesänger – Cat Stevens, Crosby, Stills, Nash & Young – und alles auf der Insel begann zu tanzen. Vom Tanz angelockt, oder vom alten Inselgott Bes, kam auch der alte Rock’n Roll und dann nach einer Riesenparty in Barcelona Freddy Mercury mit seiner großen spanischen Opernsängerin, Montserat Caballe. Mit ihm kamen die Schwulen und der Pop, die Discos wurden
immer größer, und schließlich übernahmen die DJs mit ausgefeilten Techniken die ganze Szenerie. Aber immer ging es um das Tanzen und das Feilen an der Musik.
    Ich habe in Berlin ein paarmal versucht, in die Underground-Musikszene zu kommen, aber die Clubs lagen auf dem Kiez, und wir mussten immer erst an all den betrunkenen alten

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