Heartbreak-Family – Als meine heimliche Liebe bei uns einzog (German Edition)
netter geworden? Auch wenn er mich in der Schule oft noch ignorierte, war er im Magnolienweg freundlich zu mir. Zumindest, wenn wir allein waren.
»Ich denke, du bist krank?«, ertönte plötzlich eine gereizte Stimme hinter mir. Erschrocken fuhr ich herum und sah direkt in Neos Bernsteinaugen.
»Jaja … bin ich d… doch auch.« Er hatte mich so überrumpelt, dass ich ins Stottern geriet. »Musste mir was aus der Apotheke holen.«
»Alles klar.« Ironisch grinsend wies er auf meine durchsichtige Schreibwarentüte. »Tintenpatronen gegen Bauchweh, oder was? Na dann, gute Besserung!«
Damit ließ er mich stehen, und mir wurde wirklich schlecht. So was Saublödes!
Wenn man schon lügt, dann muss man es richtig machen, ohne schlechtes Gewissen, Stotterei und dumme Ausreden. Dann muss man sofort eine passende Erklärung aus dem Ärmel zaubern und jegliche Zweifel weglächeln. Aber ich war weder reaktionsschnell noch schlagfertig. Ich sollte diese Spielchen sein lassen. Ich beherrschte sie einfach nicht.
Gerne wäre ich jetzt zu Neo gegangen und hätte ihm die Wahrheit gesagt. Dass mir die Lüge leidtat, dass ich ihn zwar mochte, mich aber nicht mit ihm treffen wollte.
Ich beschloss, ihm genau das bei der nächsten Gelegenheit zu sagen. Damit ging es mir besser.
An der Haustür begegnete ich meiner Mutter, die mit Taschen und Tüten beladen versuchte, den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Ein Beutel riss, und Äpfel kullerten über den Kiesweg in die Buchsbäume.
»Warte, Anne! Ich helfe dir.« Rasch sammelte ich die Äpfel ein.
»Oh, Jannah«, seufzte sie erleichtert. »Du kommst genau richtig! Ich habe wieder so viel eingekauft.«
»Warum eigentlich?«, fragte ich. »Ken und Merrie sind doch nächste Woche gar nicht da.«
»Ja, das stimmt.« Meine Mutter gab mir noch eine der Taschen, die ich mir umhängte, und öffnete die Wohnungstür. »Aber heute Abend wollte ich mal ein richtig türkisches Essen für uns alle …«
Ein lautes Klirren von zerspringendem Porzellan unterbrach sie. Gleich darauf ertönte hysterisches Kreischen aus der Küche.
»Na und?!«, schrie die Stimme. »Dein tolles Patchwork kotzt mich trotzdem an! Diese ganze Scheiße hier kotzt mich so was von an!«
Meine Mutter und ich wechselten einen Blick. Merrie!
Wieder schepperte Zerbrechliches. Die zerlegte unser ganzes Geschirr! Jetzt war die tiefe Stimme von Sepp zu hören, der sicher versuchte, Merrie zu beruhigen, denn ihr schrilles Geschrei verwandelte sich zunehmend in lautes Heulen.
»Hoffentlich waren das nicht unsere Teller!«, wisperte meine Mutter. »Sonst müssen wir nachher aus den Töpfen essen!«
Ich grinste und stellte die Einkäufe neben ihren im Flur ab. Während meine Mutter leise ins Wohnzimmer ging, machte ich ihr ein Zeichen und schlüpfte noch einmal aus der Tür.
Schon lange hatte ich Walnüsse sammeln wollen, das war die Gelegenheit, dem Theater zu Hause aus dem Weg zu gehen.
Es hatte die letzten Tage nicht geregnet, so dass das Laub auf dem Rasen trocken war. Ich ging auf das Steinbecken mit dem bronzenen Fisch zu, aus dessen grünlichem Maul auch heute Wasser tropfte. Auf der Holzbank neben dem Becken fand ich einen kleinen Bastkorb ohne Henkel, in den ich die Nüsse füllen konnte.
Obwohl ich mich ein bisschen vor der schwarzen, matschigen Hülle ekelte, streifte ich sie von den Nüssen und sammelte so viele, wie in den Korb passten.
Ich musste daran denken, wie ich noch vor zwei Jahren mit Lou »Zwergbettchen« gebastelt hatte. Eine halbe Walnussschale für ein Bett. Wir malten sie bunt an, stopften ein Stück Stoff hinein und klebten eine Holzkugel als Kopf dazu. Lous waren schöner als meine, weil sie ihren Zwergen Mützen aus Klopapier aufsetzte und geschlossene Augen malte, als würden sie schlafen.
Nächste Woche hatte sie Geburtstag. Ihr fünfzehnter, den sie mit der ganzen Klasse in einem alten, zum Partyraum umgebauten Kino feiern wollte. Auch einige aus der Parallelklasse hatte sie eingeladen.
Vor zwei Jahren machten wir noch Pyjamapartys, ohne Jungs, Flaschendrehen und Wahrheit oder Pflicht. Dafür mit Pizzabacken und Karaoke. Damals waren wir noch richtige Kinder und fühlten uns auch so. Zumindest die meisten von uns.
Manchmal wäre ich das gern jetzt noch. Einfach nur ich selbst sein, ohne ständig Entscheidungen treffen zu müssen, deren Konsequenzen ich tragen musste. Nur so leben, wie es meine Eltern vorgaben.
Leider konnte ich es kaum noch ertragen, wenn meine Eltern
Weitere Kostenlose Bücher