Heartbreaker - Chartbreaker
Assistentinnen mit nutzlosen Klemmbrettern herum. Alle guckten auf die Monitore, die von der Decke hingen, und ich sah, wie die Do-Gooders interviewt wurden. Das Studiopublikum hörte aufmerksam zu und lachte brav an den richtigen Stellen. Der Moderator, aber das hatte ich ja schon vorher gewusst, war Dave - der Typ, der bei Interviews immer die blödesten Fragen stellt.
»Und vergiss nicht, sei ganz natürlich«, ermahnte mich Amy noch einmal. »Wie im normalen Leben!«
»Das ist mein normales Leben«, murmelte ich.
Sie hörte mich nicht. »Kein Kaugummi und vor allem keine Kraftausdrücke«, fuhr sie fort, aber ich blendete sie einfach aus und konzentrierte mich auf das Interview. Alles, was ich von Evan gesehen hatte, seit wir uns getrennt hatten, waren Videoaufnahmen und digital bearbeitete Bilder gewesen, auf denen die Band wahnsinnig glatt und aufgestylt wirkte. Ohne diese ganzen Computereffekte sahen sie einfach nur müde aus. Vor allem Evan wirkte viel älter als noch vor einem Jahr, und ich streckte unwillkürlich die Hand aus, um den Bildschirm zu berühren. Meine Wut auf ihn verflog allmählich. »Hey, Evan«, flüsterte ich, was Amy zum Glück nicht mitbekam, weil ihr gerade jemand irgendwelche riesigen Karten in die Hand drückte.
Sie gab mir eine kurze Einweisung. »Die Kamera mit dem roten Licht ist immer die Kamera, die gerade aufzeichnet«, erklärte sie. Das wusste ich bereits. »Und darauf« - sie hielt die Karten hoch - »steht, was du sagen sollst.«
»Wie bitte? Darauf steht, was ich was soll?«
»Kein Stress. Das gibt nur die grobe Linie vor, damit das Interview glatt verläuft«, sagte sie mit ihrem blendend weißen, unaufrichtigen Kansas-Lächeln. »Nur damit du weißt, in welche Richtung deine Antworten gehen sollen.«
»Aber ich hab gedacht, ich darf sagen, was ich will«, antwortete ich. Das taube Gefühl in meinen Fingern wanderte in meine Ellenbogen hoch. War das ein Anzeichen für einen drohenden Herzinfarkt? Das war doch das Anzeichen für einen Herzinfarkt, oder? Taube Arme? Um meine Brust legte sich ein schweres, beklemmendes Gefühl, sodass ich mich anstrengen musste, um Amy weiter zuzuhören.
»- damit das Interview glatt verläuft«, sagte sie noch mal. »Keine Sorge. Das ist nichts Besonderes, nur die Standardantworten.« Sie blätterte die Karten kurz durch, um mir zu zeigen, was ich sagen sollte - und es waren genau die Antworten, die mir damals in dem unsäglichen Interview mit L. A. Weekly im Mund umgedreht worden waren: wie sehr
ich den Song liebte, wie gerne ich berühmt war, wie wahnsinnig gut mir alles alles alles an meinem neuen Leben gefiel! Fehlte nur noch, dass irgendjemand Herzchen und Bärchen auf die Karten gemalt hätte.
»Ähm, kann ich noch mal auf die Toilette?«, fragte ich Amy. »Ich muss ganz dringend.«
Sie warf einen Blick auf die Uhr am Monitor. »Es sind nur noch sechs Minuten!«
»Ich muss wirklich ganz dringend«, bettelte ich, als wäre ich hier im Kindergarten. »Ich mach auch schnell.«
»Okay«, meinte sie schließlich, Evan war ja schon vor der Kamera, also drohte keine Gefahr mehr, dass ich ihm aus Versehen begegnete. Ich flitzte durch den Gang zur nächsten Toilette. Niemand drin zu sehen. Ich sperrte mich in einer Kabine ein und dachte fieberhaft nach. Was sollte ich jetzt tun? Ich konnte mich weigern, in die Sendung zu gehen. Ich konnte die vorgegebenen Antworten von den Karten ablesen und alle glücklich machen. Ich konnte in aller Öffentlichkeit »Scheiße« und »Verpisst euch alle« sagen und innerhalb von drei Sekunden wäre ich von der Bildfläche verschwunden.
»- so was von froh, wenn das alles vorbei ist!«, sagte plötzlich eine Frauenstimme. Ich hörte zwei Paar Highheels zur Tür hereinstöckeln.
»Das kannst du laut sagen«, erwiderte eine andere Frau. »Ich hatte seit sechs Monaten kein freies Wochenende mehr.«
Sie klangen beide sehr offiziell und professionell, und mir war sofort klar, dass sie nichts von meiner Anwesenheit ahnten. Dieses Gespräch war ganz bestimmt nicht für meine Ohren gedacht.
Also tat ich, was man in solchen Momenten tut: Ich kletterte geräuschlos auf den Toilettensitz und lauschte.
»Wir haben sie ja damals nur unter Vertrag genommen, weil der Großonkel oder Halbcousin oder Stiefbruder von Weiß-der-Teufel-wem diesen kleinen Manager von ihnen kannte - Beziehungen eben, du weißt ja, wie das läuft.« Die
erste Frau seufzte. »Dann kam der Song raus, und von da an hieß es für mich:
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