Heartbreaker - Chartbreaker
Schreibtisch. »Wir sehen uns morgen Abend«, sagte ich zu dem Foto, um endlich das Thema zu wechseln. Die ganze Woche lang hatte ich immer nur über mich geredet. Ich fand das ziemlich ermüdend.
»Ja!«, rief Victoria nach einem kurzen Blick auf die Lolitas. »Deshalb Schluss mit der schlechten Laune.«
9
There’s music and there’s people and they’re young and alive...
The Smiths, »There is an Light That Never Goes Out«
Ich mag es, wenn ich weiß, am Abend ist ein Konzert. Ich mag es total. Ich mag schon den ganzen Tag vor dem Abend, an dem ein Konzert ist. Selbst als ich mit Evan zusammen war und mit ihm fast jede Woche zu irgendwelchen Bands gegangen bin, lag für mich immer ein kleines Zittern in der Luft, wenn ich wusste, ich bin abends auf einem Konzert. Und außerdem musste ich jetzt mal ganz dringend aus dem Haus und weg von meinen Eltern, die inzwischen völlig paranoid waren. Sie befürchteten, dass ich jedem Reporter, dem ich vielleicht auf der Straße begegnen könnte, meine intimsten Geheimnisse verraten würde. Als mein Jahrbuchfoto plötzlich im Internet stand, hat sie das natürlich noch zusätzlich alarmiert, und es schien ihnen überhaupt kein Trost zu sein, als Victoria ihnen erklärte, was für ein Glück es sei, dass es nicht das Foto aus dem Jahr davor war.
Mein Leben verlief gerade auch nicht sehr abwechslungsreich - Schule, mein Job im ScooperDooper, Abende bei Victoria, wo wir fettiges chinesisches Fastfood mampften und Videos auf MTV guckten, über die wir uns gemeinsam lustig machten. Der ScooperDooper wurde bei jeder Schicht voller, meistens Mädchen in meinem Alter, die einen verträumten Ausdruck in den Augen hatten und mich andauernd anstarrten. Und mit Sicherheit nicht wegen meiner tollen langen Haare. Ob sie wohl glaubten, durch mich würden sie auch nur einen Zentimeter näher an Evan rankommen? »Hey, ihr vergeudet eure Zeit«, hätte ich ihnen am liebsten zugerufen, »hierher kommt er ganz bestimmt nicht.« Stattdessen verkaufte ich so viel Eis wie nie zuvor.
James, der nicht gerade ein Held mit Mädchen ist - das muss ich hier mal ganz ehrlich sagen -, wurde total nervös und schaffte es nicht einmal mehr, die Softeismaschine zu bedienen, wenn es so voll wurde. Und noch weniger die Kasse. Irgendwie war das ja auch schon wieder süß.
Aber ich schweife ab.
Also, am Tag eines Konzerts ist die Luft immer irgendwie elektrisch aufgeladen. Ich bin keines von diesen Mädchen, die winzige Tops und High Heels tragen, wenn sie zu einem Konzert in einem rappelvollen Club gehen. Aber ich möchte schon hübsch aussehen. Okay, nicht nur hübsch, sondern sexy. Ich will sexy aussehen, wenn ich tanze. Wenn man zum Konzert einer Band geht, die The Lolitas heißt, ist das ja auch eine gewisse Verpflichtung, da versucht man schon, erste Liga zu spielen, wenn ihr versteht, was ich meine. Kann nur schwierig werden bei einem Mädchen wie mir, weil ich nie daran denke, rechtzeitig meine Wäsche zu waschen und erst in der letzten Minute über mein Outfit entscheide.
Auf Jeans musste ich verzichten, weil sie entweder dreckig oder zu lang waren, um dazu die Stiefel anziehen zu können, die ich unbedingt anziehen wollte. Ich kriegte die Krise, fand dann aber noch einen Minirock, der nicht zu kurz und nicht zu lang war; dazu eine schwarze Strumpfhose (unbedingt nötig, falls ich auf die Bühne geholt werden würde. Ich hatte keine Lust darauf, mir dann von allen unter den Rock schauen zu lassen). Danach geschah tatsächlich so etwas wie ein kleines Wunder, weil ich nämlich ganz hinten in der untersten Schublade meiner Kommode noch ein frisches schwarzes T-Shirt fand. Ich bügelte es schnell und zog gleichzeitig meine dunkelroten Reiterstiefel an. Blieb nur noch das Problem mit den nackten Armen. Es war Ende November und schon ziemlich kalt. Aber ich wollte keine Jacke mitnehmen, weil ich die sonst dauernd in der Hand halten oder, schlimmer noch, mir um die Hüften hätte schlingen müssen.
Und dann hatte ich die Erleuchtung: Arm-Stulpen!
Keine fünf Minuten später hatte ich von einem Paar langer Socken meines Vaters die Füße abgeschnitten und sie mir über die nackten Arme gezogen, sodass nur noch meine Finger und die Oberarme herausguckten. Ich war mir nicht sicher, ob das ein genialer Einfall oder ein modisches Desaster war, aber Victoria würde mir das schon sagen.
Als Jonah und sie mich um vier Uhr nachmittags abholten, war ich knapp fertig geworden. »Hallo«, sagte ich und
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