Heartbreaker - Chartbreaker
Für Eltern gibt es eine Million Bücher, die ihnen erklären, wie man Kinder erzieht, aber niemand sagt mir, wie ich als Teenager mit meinen Eltern und allen Problemen zurechtkommen soll! Ich strample mich ab, so gut ich kann!«
Meine Mutter mischte sich ein. »Sendepause! So lange, bis alle sich abgeregt haben.«
Eine Minute lang herrschte Schweigen, während jeder sich zu beruhigen versuchte. Ich schlüpfte nervös aus meinem Schuh raus und wieder rein. Mein Vater nahm die Krawatte ab und setzte sich auf einen Stuhl, immer noch krebsrot im Gesicht.
»Okay, schon besser«, sagte meine Mutter. »Wir wollen doch nicht, dass die Super-Nanny zu uns kommen muss, oder?«
Ich hatte keine Nagelhäutchen oder Fingernägel mehr übrig, an denen ich herumzupfen oder herumknabbern konnte. »Darf ich Victoria noch anrufen oder ihr E-Mails schreiben?«
»Natürlich.« Meine Mutter setzte sich an den Tisch und ich auch. »Wir wollen dir doch nicht allen Spaß am Leben nehmen.«
»Ja. Das weiß ich.«
»Denn wenn wir dir allen Spaß am Leben nehmen, dann wirst du nur noch traurig in deinem Zimmer sitzen und das Haus nie mehr verlassen, und weißt du, dein Vater und ich, wir wollen irgendwann auch in Rente gehen. Da können wir keinen Stubenhocker bei uns gebrauchen, wir wollen das Haus nämlich dann verkaufen und nach Tahiti ziehen.«
»Okay.«
»Komm schon, Audrey. Krieg ich dafür nicht mal ein kleines Lachen? Der Witz war doch nicht schlecht, oder?«
Jetzt hatte sie es doch geschafft, mir ein Lächeln zu ent - locken. »Aber zu meinem Job im ScooperDooper darf ich noch?«
»Na klar«, sagte mein Vater. »Wir werden jeden Penny brauchen, um die Anwaltskosten zu bezahlen, wenn ich erst mal diesem Tourmanager das Genick gebrochen habe.«
»Ähm, kann ich denn jetzt gleich zur Arbeit gehen?« Ich zeigte auf die Küchenuhr. »Ich komme sonst zu spät.«
»Hast du ein sauberes T-Shirt?«
»Na ja, vielleicht.«
Meine Mutter seufzte. »Wäschewaschen. Heute Abend. Und du spielst die Hauptrolle.«
18
So if your’re lonely, you know I’m here waiting for you...
Franz Ferdinand, »Take Me Out«
Im ScooperDooper war noch nie so viel los gewesen wie heute - den Tag mit dem Stromausfall im letzten Sommer ausgenommen, als wir das halb geschmolzene Eis aus dem Kühlraum unbedingt schnell loswerden mussten. (Normale Menschen + kostenloses Eis = Anarchie. Ich musste mich gegen den Ansturm fast mit einem Schutzanzug wappnen.) Obwohl jetzt Dezember war, kamen von Minute zu Minute mehr Kunden.
Und alle hatten ihre Fotoapparate dabei.
Schon in der ersten Stunde meiner Schicht wurde ich mit zwei Babys fotografiert, einem Rat Terrier, vier Zehnjährigen mit Zahnspangen, drei kleinen Jungen, die von ihrem großen Bruder dazu angestachelt worden waren, sowie mindestens fünf Mädchen in meinem Alter in Begleitung ihrer Mütter. »Wir sind zwei Stunden mit dem Auto hierher unterwegs gewesen!«, sagte eine Mutter und fächelte sich mit einer Zeitschrift Luft zu. »Sie« - sie deutete auf ihre Tochter - »hat nämlich im Internet gelesen, dass du hier arbeitest, und wollte dich unbedingt kennenlernen! Das ist ihr Geburtstagsgeschenk!«
Ich blickte zu dem Mädchen, das rot wurde. »Mom! Bitte sag jetzt nichts mehr!«
»Dürfen wir ein Foto machen?«
»Ähm, ja, natürlich.« Ich stellte mich neben das Mädchen und lächelte so breit, dass mir das Gesicht wehtat.
Wir waren beide mit den Nerven fertig, als die Mutter endlich auf den Auslöser gedrückt hatte.
Und als ob das noch nicht gereicht hätte, brachten mir die
Mädchen auch noch Geschenke mit. Richtige Liebesgaben . Geflochtene bunte Freundschaftsbändchen, Plüschtiere, Glöckchen für Bendomolena - irgendjemand musste auf einer Fanpage oder in einem Blog ausgeplaudert haben, dass ich eine Katze habe -, Nagellack, selbst gebackene vegane Kekse und so weiter. Ein Mädchen schenkte mir ein Porträt von mir, das sie im Kunstunterricht gemalt hatte, und es war sogar richtig gut. »Meine Mutter wird sich ganz arg darüber freuen«, sagte ich. (Was auch stimmte. Sie ließ das Bild rahmen und es hängt jetzt in ihrem Büro.)
James war bestimmt auf der Hälfte der Fotos im Hintergrund zu sehen, die Haare fielen ihm ins Gesicht, während er eifrig Eiskugeln in Waffeln drückte, die Tische abwischte und überhaupt die ganze Arbeit im ScooperDooper machte. Zwischen den Fan-Fotoshootings kauerte ich mich hinter die Theke und füllte die Serviettenspender nach, um wenigstens für
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