Heartbreaker - Chartbreaker
Unser Gespräch bestand allmählich nur noch aus peinlichen Momenten. Wie lautete bloß die richtige Antwort auf eine solche Frage? Ich hatte das Gefühl, nur das Falsche sagen zu können, egal, wofür ich mich entschied. »Warum?«
»Weil Victoria sie verkaufen könnte und das Geld könnten wir dann bei unserem Date ausgeben.«
Ich lachte. »Wofür denn? Teuren Wein? Kaviar?«
»Ehrlich gesagt, CDs kaufen wäre mir lieber.«
»Deine Idee gefällt mir nicht schlecht. Aber die Fotos sind leider alle verbrannt.«
»Wie denn das?«
»Na, ich hab sie in der Badewanne angezündet.«
»Oh.«
»Tut mir echt leid. Vielleicht können wir ja trotzdem CDs kaufen gehen.«
»Vorher muss ich aber erst noch das Examen bei deinen Eltern bestehen.«
»Und vergiss nicht: kein Crowd Surfing und wahrscheinlich auch kein Stage Diving.«
»Ach, weißt du«, meinte James, »ist nicht weiter schlimm. Denn Fallschirmspringen oder Tiefseetauchen hat dein Vater vergessen. Wir haben immer noch eine große Auswahl.«
Ohmeingott , wie ich ihn dafür hätte abküssen können!
22
You are everything I want ʹcause you are everything I’m not...
Taking Back Sunday, »MakeDamnSure«
Die erste Verabredung mit einem Jungen ist nie eine einfache Sache. Das ist eine universelle Wahrheit. Aber wenn der Song deines Ex-Freundes am selben Tag, an dem du deine erste Verabredung mit deinem Vielleicht-neuen-Freund hast, den Sprung in die Top Ten schafft, wird das noch ein gutes Stück komplizierter.
Und genau das ist mir passiert. Das Leben kann manchmal ganz schön grausam sein.
Als ob ich nicht so schon ein Nervenbündel gewesen wäre. Was bestimmt damit zu tun hatte, dass ich Tag für Tag allein im Vorzimmer des Direktors sitzen und so tun musste, als würde mich das Römische Reich und Geometrie und alles andere, was mir von den Lehrern so auf den Tisch gelegt wurde, wahnsinnig interessieren.
Aber egal. Am Dienstagabend jedenfalls wollten James und ich das erste Mal miteinander ausgehen. Und am Dienstagnachmittag wurden wie jede Woche die neuesten Top-100-Single-Charts veröffentlicht. »Audrey, Wait!« war auf Platz 10. Der wahrscheinlich schnellste Aufstieg eines Songs in der Geschichte der Charts! Auch das neueste Lied der Lolitas »Hell on Earth« war weiter nach oben geklettert. Es war in England jetzt auf Platz 9, aber die Do-Gooders standen dort auf Platz 8.
Lasst schon mal die Korken knallen!
Ich wusste das alles, weil ich an diesem Dienstagabend bei abgeschaltetem Ton zu MTV2 hinschielte, während ich mir die Haare fönen wollte. Gerade als ich den Fön angeschaltet hatte, wurde plötzlich eine Sondernachricht eingeblendet. Das
Gesicht von Evan war auf einmal zu sehen, das von Simon Lolita ebenfalls. Und dazwischen mein Foto aus dem letzten Jahrbuch.
Wenn ihr von mir irgendwas für euer eigenes Leben lernen wollt, dann das: Sucht für das Schuljahrbuch immer das allerbeste Foto aus, das es von euch gibt. Ihr könnt nie wissen, wo es eines Tages noch mal auftauchen wird.
Als ich es dann schließlich geschafft hatte, den Fön auszuschalten und am Fernseher die Lautstärke hochzudrehen, bekam ich nacheinander zwei Interviews zu sehen. Eines mit meinem Ex-Freund und eines mit dem Jungen, den ich eine Nacht lang geküsst hatte. Eine reichlich surreale Erfahrung.
»Ich finde, wir sollten bei Audrey anrufen und uns bei ihr bedanken«, sagte Simon mit einem Augenzwinkern in die Kamera. Er wurde von zwei weiteren Mitgliedern seiner Band flankiert, die beide rauchten und zustimmend nickten. Er hatte dieses schräge kleine Lächeln im Gesicht, von dem ich bis vor Kurzem noch gedacht hatte, es sei sexy. Aber wenn ich ihn mir jetzt so ansah, schien er mir eher unter einer Muskellähmung zu leiden und wirkte auch überhaupt nicht mehr hübsch. Außerdem hatte er schlechte Zähne. Wie hatte ich das bloß übersehen können? Es musste im Backstage-Bereich noch viel dunkler gewesen sein, als ich in Erinnerung hatte.
»Sie ist ein ganz besonderes Mädchen«, sagte Simon gerade, bevor er sich selbst eine Zigarette anzündete. Er spielte noch einen Augenblick mit dem Feuerzeug, dann fügte er hinzu: »Wirklich sehr besonders. Wir sollten ihr irgendwie unsere Dankbarkeit zeigen. Sie an unseren Einnahmen beteiligen. Oder vielleicht einen Song über sie schreiben. Für unser nächstes Album.« Er lächelte komplizenhaft in die Kamera.
»Stopf dir dein Geld in den Rachen und erstick daran!«, sagte ich zum Fernseher. Meine nassen Haare
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