Heaven (German Edition)
College angegeben hatte.
«Der einzige Weg, das Fleisch zu besiegen, ist, es zu martern», sagte die Stimme. «Es zu zerstören, herunterzureißen.»
Gabriel und Ivy sahen sich an, und der Blick meines Bruders verfinsterte sich. Ich schlich auf Zehenspitzen nach vorn, weit genug, um zu sehen, was drinnen vor sich ging, aber um selbst nicht entdeckt zu werden. Ich sah eine Gruppe von etwa zehn Leuten. Wade war der Sprecher, und neben ihm standen drei weitere Männer. Der Rest waren Mädchen, die in den Bänken knieten. Nur Molly stand direkt vor dem Altar. Wades Blick brannte schier vor Intensität, und er war so vertieft in das, was er sagte, dass er nicht einmal in unsere Richtung schaute. Er schien einzig zu Molly zu sprechen.
«Du musst vor dem Herrn deine Schwäche bekennen. Du musst denen entsagen, die dich auf den falschen Weg führen, und ein Leben der Einkehr beginnen.»
«Ich weiß», murmelte Molly. Sie nickte, aber nicht so selbstsicher wie sonst.
«Ich möchte dir gerne helfen, aber du musst mitarbeiten, Molly», sagte Wade. «Bist du bereit, dein Leben dieser Kirche zu schenken?»
«Ich bin bereit.»
«Bist du bereit, die Opfer zu erbringen, die erforderlich sind?»
War dies irgendein eigenartiger Initiationsritus?
«Ja», flüsterte Molly, aber Wade war noch nicht fertig.
«Bereit, der weltlichen Eitelkeit zu entsagen, als Zeichen deiner Hingabe?»
«Ja.» Ihre Stimme klang jetzt gepresst, als ob sie den Tränen nah wäre.
Wade trat näher an Molly heran und baute sich vor ihr auf wie ein Scharfrichter. In der Hand hatte er irgendetwas, das ich nicht erkennen konnte, bis er seinen Arm hoch über ihren Kopf hielt. In diesem Moment brach sich das Licht, das durch die Kirchenfenster hereinfiel, in dem Metall, und ich sah, dass es eine Schere war.
«Nur wenn wir die Schwäche des Fleisches beherrschen, können wir wahrhaftig frei sein.» Er legte ihren Zopf in seine freie Hand, als ob er ihn wiegen wollte. Würde Molly das tatsächlich zulassen? So ungeschminkt, wie sie war, leuchteten ihre Sommersprossen regelrecht, und sie sah aus wie ein Kind. Ich sah zu meinen Geschwistern herüber. Gabriel stand da wie versteinert. Seine silberfarbenen Augen waren zu engen Schlitzen zusammengekniffen.
«Lass sie los!» Plötzlich hallte Gabriels Stimme von den Kirchenwänden wider. Wade ließ überrascht den Arm sinken und hielt nach dem Eindringling Ausschau. Als er mich und Xavier erkannte, fand er seine Fassung zurück, aber Gabriels und Ivys Anblick schien ihn zu beunruhigen.
«Wer sind Sie?», fragte er Gabriel und sah Molly an. «Hast du die vier hergebeten?»
«Nein», stotterte sie und richtete sich zitternd auf. «Ich … ich …» Sie blickte unsicher von Wade zu Gabriel und zurück. In diesem Moment sagte Gabriel ihren Namen, aber nicht, als ob er sie rufen oder ihr einen Befehl erteilen wollte. Er flüsterte ihn beinahe, als ob er zu sich selbst spräche und es ihn aufrichtig treffe, sie so zu sehen. Und da konnte sich Molly nicht länger halten. Sie riss sich von Wade los, stolperte durch die Kirche und warf sich in Gabriels Arme, wo sie schluchzend zusammenbrach.
Wade hob hilflos die Hand, als ob er nicht wüsste, was er tun sollte. Molly hatte das Gesicht an Gabriels Brust verborgen, und seine Hand ruhte schützend auf ihrem Hinterkopf.
«Welche verrückten Gedanken hat er dir bloß in den Kopf gesetzt?», murmelte er.
«Beten und Fasten bringen uns Gott näher», verteidigte sich Wade. «Nur dann wird Er uns seinen wahren Willen offenbaren, wie er es an Daniel getan hat.»
«Daniel war ein Prophet, du Depp», antwortete ich.
«Das reicht», ermahnte mich mein Bruder.
«Aber er ist verrückt!», rief Xavier entrüstet.
«Nur fehlgeleitet», sagte Ivy. «Der Weg zu Gott sieht für jeden anders aus. Und man kann niemanden auf den richtigen Weg bringen, indem man ihn einsperrt und ihm die Haare abschneidet.»
Molly hob den Kopf und sah Gabriel an. Ihre Nase war rot vor lauter Weinen. «Ich habe versucht, für meine Sünden zu büßen. Denn ich habe erkannt, dass sie der Grund waren, warum du mich nicht lieben konntest.»
Gabriel schloss für einen Moment die Augen. «Molly, du kannst nur sühnen, wenn du selbst dein Leben änderst, nicht, indem jemand anderes es für dich tut.»
«In die Kirche zu gehen macht keine Christin aus dir, genauso wenig, wie du nicht zum Auto wirst, wenn du in der Werkstatt hockst», sagte ich und zitierte damit ein Buch, das ich vor einer Weile gelesen
Weitere Kostenlose Bücher