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Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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das er überqueren musste, war bewohnt. Leise Musik erklang von drinnenwie ein Wispern aus tausendundeiner Nacht. Irgendetwas entrückt Indisches, fiebernd Psychedelisches, kindlich Buntes. Jemand hatte Mandalas auf die Bootswand gemalt und auf dem flachen Dach hockte ein Buddha aus Stein. Es gab einige mit Plastikfolie umwickelte exotische Sträucher in steinernen Kübeln und eine offene Feuerstelle, deren kalte Asche über Bord geweht wurde, sobald der Wind aufkam.
    David balancierte über die Planke auf das erste Boot, ging an den Aufbauten vorbei und kletterte über die nächste Planke hinüber auf Heavens Boot. Fast war es, als ob er auf den Dächern unterwegs war. Seine Schuhe machten kaum ein Geräusch, glücklicherweise, er hatte keine Lust, die Bewohner des Bootes auf sich aufmerksam zu machen. Für heute hatte er genug von Gesprächen jeglicher Art.
    Heaven hatte ihm einen Schlüssel mitgegeben. Er kramte ihn aus seiner Tasche hervor und lauschte an der niedrigen Tür.
    Kein Geräusch, nichts.
    Vorsichtig öffnete er und trat ein.
    Mattes Tageslicht fiel gedämpft durch die kleinen Fenster ins Innere, ließ Staubkörner in der Luft tanzen und Schatten einander umarmen. Nur Silhouetten waren erkennbar, nicht viel mehr.
    David tastete nach einem Lichtschalter, fand ihn, schaltete das Licht an und staunte.
    Das Hausboot war im Inneren ein einziger Raum, der keinerlei Ähnlichkeit mit dem kargen Zimmer aufwies, das Heaven drüben in Richmond bewohnt hatte. Von der niedrigen Decke baumelten bunte Lampions und Mobiles mitseltsamen Pappfiguren, die wie zerfranste Wesen aus einem Scherenschnitttheater aussahen. Die kahlen Holzplanken lugten hier und da unter einer Fülle indisch gemusterter Teppiche heraus. Der Tisch und die Stühle waren neben einer kleinen Kombüse am Boden festgeschraubt. Es gab Bücherregale, sie bedeckten jede freie Wandfläche, und David konnte es sich nicht verkneifen, in sie hineinzuschauen. Vornehmlich fand er dort Bücher über Sterne und Astrologie und ähnliche Dinge. Dokumentationen zu Himmelsbe-obachtungen entdeckte er sowie jede Menge Bildbände über das seltsame Phänomen, das schon seit Jahren jede Nacht die City von London verdunkelte.
    Einen Moment lang kam sich David wie ein Dieb vor, wie ein Eindringling in einem Leben, das ihm nicht gehörte. Denn das hier war eindeutig Heavens Leben, das spürte er deutlich. Aber gerade deswegen war es so seltsam, es ohne sie zu entdecken.
    Trotzdem nahm er eines der Bücher aus dem Regal.
Die gestohlene Nacht von London
, so lautete der Titel. Er klappte es auf. Vorne stand ein Name, geschrieben mit einem Füller und blauer Tinte in einer schönen Handschrift, zart und fein:
River
.
    Er blätterte darin herum. Die Geschichte, die dort zu lesen stand, war nicht neu. Es ging um den Kometen, der in jener Nacht zur Erde gefallen war, als der Himmel über der City verschwand. Kein einziges Observatorium auf der Welt hatte das Nahen des Kometen bemerkt. Erst als über London ein lautes Feuerglühen aufgetaucht war, hatten die Menschen in heller Panik ihre Häuser verlassen. Doch dann war das Feuer erloschen und der Nachthimmel hatte sichganz und gar verfinstert. Das war alles. Er war einfach fort gewesen. Keine Sterne mehr, keine Lichter, nichts. Nur wenn es Tag war, sah der Himmel aus wie früher. Nachts war dort oben nur ein leeres Nichts, dessen Tiefe niemand erahnen konnte. Es sah auch heute noch aus, als habe jemand mit aller Kraft und Macht ein Stück vom Firmament aus dem ihm angestammten Platz am Himmel gerissen. Es machte einen unruhig, in diese Leere hineinzuschauen, weil sie leer war und kein Mensch tiefe Leere ertragen kann. Genau deswegen starrte auch niemand mehr dort hinauf.
    David klappte das Buch zu und stellte es zurück an den Platz im Regal. Dann schaute er sich weiter um. Es gab so viele Bücher, Bücher, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Er schlug weitere davon auf, blätterte darin herum. Überall fand er den Namen von Heavens Mutter. Akribisch hatte sie ihren Namen in jedes Buch geschrieben, auf die erste Seite, gleich unter den Titel. Daneben stand das Datum des Kaufs.
    David warf einen Blick auf die Veröffentlichungsjahre. Rivers Bücher waren alle mindestens achtzehn Jahre alt. Später musste Heaven die Tradition ihrer Mutter fortgeführt haben. Die neueren Bücher waren in ihrer Handschrift signiert. Und alle handelten sie von der gestohlenen Nacht über London.
    Als David noch in Cardiff gewohnt hatte, kannte

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