Heaven - Stadt der Feen
Trauben von Gästen, murmelte halbherzige Entschuldigungen, wenn er sich an ihnen vorbeidrückte. Unwillkürlich stiegen Erinnerungen auf, von heruntergelassenen Jalousien, muffigen Räumen, Wänden, die auf ihn zukamen, aber er drängte sie zurück. Er hasste das, wirklich und aufrichtig.
Heaven ließ ihn nicht aus den Augen. Endlich war er bei ihr.
»Da bin ich.« Er ließ sich ihr gegenüber auf dem Stuhl nieder. Sie hatte das Fenster geöffnet, saß direkt davor, dass sie selbst die kalte Luft spürte, die Gäste an den anderen Tischen sich jedoch nicht daran störten.
»Ich habe noch immer ein Problem mit warmen Räumen«, sagte sie. »Aber ich habe keine Ahnung, warum das so ist.« Ihre dunkle Haut schimmerte im roten Kerzenschein. »Danke, dass du da bist.« Vor ihr stand ein Tee, das Zuckerstück, das dazugehörte, hatte sie zerbröselt.
»Deine Sachen sind in einem Schließfach an der St. Pancras Station, wir können sie später abholen.«
Heaven nahm das wie beiläufig zur Kenntnis.
David berichtete ihr schnell, was in Richmond passiert war. Konzentriert und nervös hörte sie ihm zu, musterte besorgt den Schnitt an seinem Hals, aber er winkte ab.
»Was ist mit dir? Warum wolltest du mich hier treffen?«
»Ich habe beim College angerufen, von einer Telefonzelle am Charing Cross aus.«
»Und?«
»Ein Mann, sagte mir die Sekretärin, hätte eine Viertelstunde vor mir dort angerufen und sich nach mir erkundigt.« Ihre Augen waren wie die dunkle Nacht. »Ein Mr Quilp.«
»Mr Quilp?«
»Ja, wie der Kerl bei Dickens.«
»Warum wundert uns das nicht?«, fragte er.
Sie nickte. »Ja, warum nur?« Es klang hoffnungslos.
David wusste nicht recht, was er sagen sollte. Er hatte das Gefühl, dass das noch nicht alles war, was sie ihm erzählen wollte, aber er mochte sie nicht drängen.
Die Bedienung kam an den Tisch. David bestellte einen Tee. Earl Grey, schwarz. Heaven wartete, bis sie ging, dann fragte sie: »Hast du mein Zimmer gesehen? Ich meine, das in Richmond.«
»Ja.«
»Und?«
»Sieht leer aus.«
»Es ist jetzt voller als früher«, sagte sie nur.
»Dein Hausboot ist gemütlicher«, gestand David. Er musste grinsen. »Wenn man nicht gerade von zwei Neo-Hippies in die Mangel genommen wird, die nichts Besseres zu tun haben, als gleich nach den Bullen zu schreien.«
»Julian und Eve sind in Ordnung«, sagte Heaven. »Ich vertraue ihnen.«
»Mehr als deinen anderen Freunden?« David dachte an die Fotos, die er gesehen hatte.
Sie blieb für einen Moment stumm, starrte ihn an.
»Hab ich was Falsches gefragt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie und fuhr sichdurchs Haar. »Hast du nicht. Es ist nur so – Julian und Eve sind die Einzigen, die mich auf dem Boot kennen. Meine anderen Freunde, die vom College und früher die von der Schule, sie gehören zu meinem Leben in Richmond. Sogar mein Job . . .«
Sie hatte einen Job? Heaven hatte einen Job?
Sie musste lachen. »Was starrst du mich denn so ungläubig an? Mr Mickey regt sich auch immer fürchterlich auf, aber ich mach das gerne. Ich kellnere in einem kleinen Café in der Nähe der Fulham Road. Im Moment haben wir allerdings zwei Wochen geschlossen. Umbau.«
David schloss für einen winzigen Moment die Augen. »Warum ich und nicht einer der anderen?«, fragte er schließlich.
Sie verstand sofort, was er meinte.
»Du warst da.« Sie sah auf die Tischplatte, kratzte nervös das alte Wachs von der Kerze, die neben ihrer Teetasse stand. »Und du hast mich aus diesem Krankenhaus geschafft, ehe Mr Scrooge oder Mr Quilp oder meinetwegen der verdammte Oliver Twist in die Notaufnahme spazieren konnten. Du hast mir geglaubt.« Sie schluckte. »Ich vertraue dir.«
David schüttelte den Kopf. »Aber ich weiß nichts von dir. Ich meine, wir stecken mitten in der Scheiße und ich kenne dich überhaupt nicht. Hey, ich gerate schon völlig aus der Fassung, wenn du mir erzählst, du hättest einen Job!«
»Ich bin Heaven«, sagte Heaven.
»Ich weiß.«
»Und?«
»Wer bist du wirklich?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin kompliziert«, antwortete sie.
David musste grinsen. »Wer ist das nicht?«
»Ja, wer ist das nicht?«
David hielt Heavens Blick fest und das Getuschel und die Musik hinter ihnen wurden zu einem Schleier aus Klang, der sie umhüllte, nur sie beide, einen Moment lang.
Doch dann brachte die Bedienung den Tee an den Tisch und der Augenblick war vorbei.
David begann mechanisch am Sieb und der Tasse herumzuspielen.
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