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Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Sie hier sind und mit uns reden, dann muss jemand an Sie denken.«
    »Man hat Sie nicht vergessen«, fügte Heaven hinzu.
    Sarah Jane lächelte zögerlich. »Mag sein, ja. Irgendwo, vielleicht.« Sie rang um Fassung, fand sie, fuhr fort: »Wie auch immer, sie brachten mich ins Chelsea Hope.«
    David hatte das Gefühl, als käme sie jetzt zum Kern ihrer traurigen Geschichte. In der Luft trieben erste Schneeflocken und er wunderte sich nicht darüber.
    »Das, was dort geschah, ist so verschwommen wie das Ertrinken selbst. Erst als ich in der Erde war, begann ich wieder zu leben. Als ich die Augen aufschlug, war ich hier.« Sie blickte sich um, als könne sie den Moment zurückrufen. »Ich stand neben dem Grab und um das Grab herum hatten sich die Trauergäste versammelt, die ich nicht kannte. Das ist die erste Erinnerung, die ich an Highgate habe – meine erste Erinnerung als Geist. Mein neues Leben begann, als sie den Sarg in der Erde versenkten.«
    »Aber warum das Grab meiner Mutter?«
    »Hast du immer noch nicht verstanden, Heaven? Ahnst du es nicht? Meine sterblichen Überreste wurden hier an diesem Ort beigesetzt.« Ihre Augen waren wie tiefe Wasser. »Meine Überreste, nicht die deiner Mutter.«
    »Aber was ist dann mit meiner Mutter geschehen?«
    »Geduld«, erbat sich Sarah Jane, »du musst dir Zeit nehmen, wenn du alles verstehen willst.«
    Heaven nickte.
    Und Sarah Janes Geschichte ging weiter. »Ich traf andere Geister hier, der Friedhof ist voll von ihnen. Sie waren nett zu mir, doch niemand konnte mir sagen, weshalb ich unter dem Namen River Mirrlees beigesetzt worden war. Es war ein Geheimnis, ein Rätsel. Und schon als ich dachte, niemals mehr die Antwort darauf zu erhalten, kam dein Vater an dieses Grab. Ich weiß noch, wie er die feuchte Erde berührt und geweint hat. Ich wusste, dass er Jonathan Mirrlees war. Ich spürte es. Ich gab mich ihm zu erkennen.« Sie zwinkerte Heaven mit ihren toten Augen gläsern zu. »Ich denke, ihr wisst jetzt, wie das läuft. Ein Geist kann entscheiden, ob und wem er sich zeigt.«
    »Mein Vater hat mit Ihnen gesprochen?«
    »Wohl eher ich mit ihm«, antwortete Sarah Jane.
    »Aber warum?«
    »Ich wollte wissen, warum ich im Grab seiner Frau begraben worden bin.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Er ist sehr gefasst gewesen.« Sie hob den Finger, er war lang und schimmerte. »Normalerweise reagieren Leute nicht unbedingt gelassen, wenn ihnen ein Geist begegnet. Aber er war die Ruhe in Person.« Sie schaute von einem zum anderen. »Wie ihr beiden. Ihr habt schnell akzeptiert, dass es jemanden wie mich hier geben kann. Ihr zweifelt nicht, ihr glaubt, was ihr seht. Und wenn Leute sich so verhalten, dann sind ihnen schon Dinge widerfahren, von denen andere nicht mal ahnen.«
    David verstand noch immer nicht wirklich, was damals vorgefallen war, wenngleich ihn langsam eine Ahnung beschlich.
    »Als ich gestorben bin, wurde irgendwo in London eine Frau namens River Mirrlees mit Wehen ins Chelsea Hope Hospital eingeliefert.« Sie bedachte Heaven mit einem langen Blick. »Manchmal sind Zufälle wirklich seltsam. Ein Mädchen erblickte in der Nacht des 24. auf den 25. November das Licht der Welt. Die Mutter des Mädchens starb bei der Geburt.«
    Das war ein Teil der Geschichte, die David bereits kannte.
    »Doch etwas«, fuhr Sarah Jane fort, »war anders. So anders, so seltsam, so ungewöhnlich, dass Jonathan Mirrlees die Ärzte und die Hebamme bestechen musste.«
    David hielt die Luft an. »Was ist passiert?«
    »Jonathan Mirrlees hat sich ihr Schweigen erkauft. Denn River Mirrlees ist verschwunden, nachdem das Kind geboren war.«
    »Was soll das heißen, verschwunden?« Heaven zögerte. Sie sträubte sich, es zu verstehen.
    »River Mirrless war einfach nur fort«, antwortete Sarah Jane. »Sie starb. Und dann war sie nicht mehr da. Das jedenfalls war es, was mir Jonathan Mirrlees erzählt hat. Und danach?« Sie seufzte. »Es ging hier um eine wohlhabende Familie. Man wollte keine Schlagzeilen und kein Aufheben. Sie brauchten jemanden, den sie offiziell beerdigen konnten, für den man einen ganz normalen amtlichen Totenschein ausstellen konnte. Also nahmen sie mich. Den Leichnam der Frau mit dem Jane-Doe-Zettel am Fuß.« Ihre Hände zitterten, wie Geisterhände nur zu zittern vermögen. »Eswar die einfachste Lösung. Niemand wusste, wer ich bin. Ich wurde nicht vermisst. Es bedurfte nur ein wenig der Manipulation in den Akten.« Sarah Jane bedachte Heaven mit einem vielsagenden Blick.

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