Heavy Metal (German Edition)
gleich ordentlich einen in Bad Mü!“
„Worauf du einen lassen kannst!“, Erik rülpste laut vernehmlich in das Mikrofon seines Handys.
„Alter, leise! So, dann werd' ich jetzt mal langsam meine Rede starten.“
„Nervös?“
„Quatsch! Echt nicht. Ich bin perfekt vorbereitet. Und was ich gleich sagen werde kann ich sowieso auswendig“.
„Ich fand sie krass, als du sie mir gestern vorgelesen hast. Dann hau rein, bis nachher!“
„Bis dann. Und ruf auch nochmal bei den anderen rund, nicht dass da jemand besoffen ist oder pennt!“
Hans legte auf und schaute dabei auf die Uhr seines Handys. 23:56 Uhr, es wurde Zeit. Er steckte das auf „Lautlos“ gestellte Telefon zurück in die Brusttasche seines schwarzen Hemdes, so dass er den Vibrationsalarm spüren würde. Langsam schlenderte er zurück zu den anderen, wobei er fast über einen der langen rostigen Stahlstifte gefallen wäre, die vielerorts wie kleine Stolperfallen aus den weit versprengten Betonbrocken ragten. „Bei der Sprengung '45 haben sie echt ganze Arbeit geleistet“, dachte er. Und während er kurz stehenblieb, um noch einmal zum Mond aufzublicken und tief Luft zu holen, stellte er sich wie schon so oft vor, wie es hier früher ausgesehen haben mochte. Zwar konnte er sich anhand von Fotos aus Büchern eine gute Vorstellung der Bauten machen. Aber er wäre nur zu gerne ein einziges Mal im Jahr 1940 durch das intakte Gelände spaziert. Zeitreisen müsste man können.
Zurück am Lagerfeuer griff er sich ein frisches Bier, nahm einige kräftige Schlucke und stellte es ab. Dann bat er diejenigen, die in seiner Nähe standen darum, alle Teilnehmer zum Feuer zu schicken. Während seine Kameraden die restliche Gruppe um die Flammen scharte, kletterte er auf das größte Trümmerstück und stand so einige Meter erhoben von der flackernd erhellten Senke. Er wartete noch eine kurze Weile, bis alle zusammen standen und zu ihm aufblickten.
„Verehrte Kameraden, Freunde, Genossen!“
Hans ließ die Worte einige Sekunden in der Luft stehen um sicherzugehen, dass ihm auch wirklich alle zuhörten. Als er jedes einzelne Augenpaar auf sich wähnte, fuhr er mit feierlicher und nicht zu lauter Stimme fort.
„Ich freue mich, dass ihr euch alle hier versammelt habt, um unseren diesjährigen Heldengedenktag zu begehen. Vor einer Minute hat es Mitternacht geschlagen und wir schreiben nun den 10. Mai. Heute, vor exakt siebzig Jahren und fünf Stunden, traf Adolf Hitler an dieser historischen Stelle ein, um sein Felsennest, sein neues Hauptquartier, zu beziehen. Genau hier, auf diesem Grund und Boden unter euren Füßen, vernahmen er und sein Gefolge 35 Minuten später den ersten fernen Hall der Kanonen, hörten sie den Beginn des Feldzuges gegen Frankreich. Damals begannen die ruhmreichsten Jahre des Dritten, des wahren deutschen Reiches. Der Führer konnte in diesem seinem Hauptquartier den historischen Sieg über die Franzosen, die Belgier und die Holländer feiern. Wir sind heute hier, um wie in jedem Jahr diesen ruhmreichen und größten Feldherr aller Zeiten zu ehren, uns sein Genie und seine Ziele in Erinnerung zu rufen, sein Andenken zu wahren und uns ihm und seinen Idealen an historischem Orte nahe zu fühlen.“
Wiederum hielt Hans kurz inne, um die Anwesenden zu mustern. Natürlich applaudierte wie abgesprochen niemand, aber er war sich sicher, in einigen der Gesichter echte Ergriffenheit lesen zu können. Viele hoben stumm den rechten Arm zum Hitlergruß.
„Für alle von uns ist der Führer heute noch ein Vorbild, dass uns in unserem gesellschaftlichen wie auch politischen Leben den Weg weist und zu dem wir alle aufblicken. Und wo könnte man ihm heute besser Tribut zollen, als in diesem Waldstück, in dem er fast einen Monat lebte und arbeitete, wo er alle seine ranghöchsten Mitstreiter empfangen hat und das er noch Jahre später als das schönste seiner zwanzig Hauptquartiere bezeichnete. Im Zuge der Vorbereitungen für diese Nacht konnte ich noch einige historische Fakten recherchieren, die auch manchem von euch vielleicht noch nicht bekannt sind. So war auch ich überrascht, als ich kürzlich von den Aufzeichnungen einer seiner hier diensthabenden Sekretärinnen las. Darin erinnerte sie sich, dass der Führer diesen Grund und Boden hier immer als sein Vogelparadies bezeichnet hat. Mehr noch, er hatte sogar die Idee geäußert, nach dem Krieg einmal im Jahr mit seinem gesamten Stab eine Erinnerungsfahrt hierher zu unternehmen! Allein
Weitere Kostenlose Bücher