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Heidelberger Lügen

Heidelberger Lügen

Titel: Heidelberger Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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war gut. Es bedeutete, dass er nicht in unsere Richtung unterwegs war. Ich nahm die Brille ab, wippte in meinem Stuhl und überlegte.
    »Was halten Sie von der Theorie, dass er McFerrin umgebracht hat?«
    »Dann müsste der Mercedes irgendwo in Oberhausen stehen. Das tut er aber nicht. Es wäre schön, wenn wir diesen Herrn Hörrle endlich selbst zum Thema befragen könnten.«
    Mein Telefon klingelte, und Vangelis verabschiedete sich mit einer knappen Handbewegung.
    »Es ist mir wieder eingefallen.« Lorenzo.
    »Was mit der Frau war?«
    »Sehen wir uns heute Abend wieder auf eine Flasche Wein? Ich habe hier einen Merlot, den müssen Sie probieren. Und dann werden Sie erfahren, was an der Frau so auffällig war. Ich denke, es wird Ihnen weiterhelfen.«
    »Herr Lorentz, was Sie gerade tun, grenzt an Erpressung!«
    »Aber nein«, widersprach er heiter. »Es ist Erpressung. Was sonst könnte ich aufbieten, um Sie in mein Haus zu locken?«
    »Eigentlich wollte ich heute Abend mal wieder etwas für meine Gesundheit tun.«
    »Sie treiben doch nicht etwa Sport?«, fragte er entrüstet.
    »Ich bemühe mich.«
    »Wir sollten uns nicht immerzu um unseren Körper Gedanken machen. Auch unsere Seele muss hin und wieder zu ihrem Recht kommen. Sagen wir um sieben? Ich werde uns eine Kleinigkeit kochen. Maria muss leider spielen. Sie essen doch französisch?«
    »Solange es sich nicht um Schlangen, Amphibien oder Insekten handelt. Sie würden mir nicht vielleicht wenigstens einen kleinen Hinweis geben? Sozusagen als Vorschuss?«
    »Die ewige Neugierde des Polizisten.« Lorenzo lachte gutmütig. »Nun gut. Es war ihr Wagen. Sie fuhr einen alten englischen Sportwagen, einen Lotus Super Seven, mindestens fünfundzwanzig Jahre alt. Er hat sich mir deshalb eingeprägt, weil ich in Dublin einen guten Freund hatte, der denselben Typ fuhr.«
    »Das Kennzeichen haben Sie nicht zufällig notiert?«
    »Lieber Herr Kriminalrat, es war stockdunkel, und es hat auch spätnachts immer noch Katzen und Hunde geregnet. Nur eines noch: Sie stammte aus dem Rheinland. Zu groß, zu laut, zu fröhlich.«
    Ich bat ihn, die Frau zu beschreiben, und staunte wieder einmal über Lorenzos Gedächtnis.
    »Alter circa fünfunddreißig, fast einsachtzig groß, deshalb wohl die flachen Schuhe. Dazu teuer gekleidet, aber nicht unbedingt geschmackvoll. Eine kastanienbraune Löwenmähne, nicht unattraktiv, doch etwas zu exaltiert. Sie trat auf, als wäre sie häufig auf Reisen. Ich tippe auf Geschäftsfrau, mittleres Management, etwas auf diesem Niveau.«
     
    »Ein Lotus Oldtimer?«, fragte Sönnchen mit diesem Blitzen in den Augen, das sie immer bekam, wenn sie etwas tun durfte, was über ihre Tätigkeit als Sekretärin hinausging. »In der Nacht vom fünften auf den sechsten Juli.« Sie machte sich eine Notiz und sprang auf. »Ich werd mich sofort drum kümmern, Herr Kriminalrat.«
    Den Rest des Vormittags verbrachte ich im Rathaus, wo ich Liebekind in einer Sitzung mit einem Ausschuss des Stadtrats vertreten musste. Es ging um die Verbesserung des Sicherheitsempfindens der Bürger. Hier galt es nun nicht, die allgegenwärtige Bedrohung durch Gesetzesbrecher aufzubauschen, sondern im Gegenteil unsere enormen Fortschritte bei der Verbrechensbekämpfung herauszustreichen. Das Schöne war, dass unsere Zahlen für beide Argumentationen herhalten konnten. Ich musste nur die jeweils passenden auswählen. Wollte man als Polizist gut dastehen, dann sprach man über die spektakulären Verbrechensarten, allen voran Mord- und Totschlagsdelikte. Die Zahl der ermordeten Menschen sank in unserem Land von Jahr zu Jahr, während die Aufklärungsquote in diesem Bereich vor allem aufgrund der Fortschritte der Kriminaltechnik ebenso zuverlässig anstieg.
    Merkwürdigerweise erweckten die Medien und auch die Politik gerne den gegenteiligen Eindruck. Wenn der Innenminister in Berlin die jährliche Kriminalitätsstatistik vorstellte, dann lauteten die Schlagzeilen am nächsten Tag nicht »Verbrechenszahlen weiter gesunken«, sondern zum Beispiel: »Gewalt an deutschen Schulen hat schon wieder zugenommen.« Starteten wir eine Schwerpunktaktion gegen Drogenhandel, was logischerweise dazu führte, dass vermehrt Dealer hinter Gitter wanderten, dann wurde nicht etwa der damit verbundene Gewinn an Sicherheit, sondern der Anstieg der Verhaftungszahlen herausgestrichen. Es gelang mir, den Ausschuss davon zu überzeugen, dass wir gute Arbeit leisteten und die Heidelberger sich auch weiterhin

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