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Heidelberger Lügen

Heidelberger Lügen

Titel: Heidelberger Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Klassen attraktiver als Vanessa Kriegel. Ihre Haltung strahlte Ruhe und Selbstsicherheit aus, das einfache, aber gewiss nicht billige Kleid aus sandfarbenem Leinen verriet sicheren Geschmack und unaufdringlichen Wohlstand. Erst auf den dritten Blick entdeckte ich das dezente Dior-Emblem. Es war offensichtlich, dass diese Frau es mit ihrer zweiten Ehe besser getroffen hatte als mit der ersten.
    »Haben Sie sich verfahren?«, waren ihre ersten, freundlichen Worte.
    »Ein bisschen.«
    Sie lachte. »Alle verfahren sich, wenn sie zum ersten Mal hier heraufkommen.«
    Sie führte mich in einen spärlich und mit Verstand eingerichteten Wohnraum eines lichtdurchfluteten zweigeschossigen Hauses hoch am Hang über Schriesheim. Es roch nach altem Zigarettenrauch und einem Hauch von teurem Parfüm. Auf dem Couchtisch stand eine Vase mit langstieligen, dunkelroten und schon fast verblühten Rosen.
    »Einen kleinen Cognac?«, fragte meine Gesprächspartnerin. »Oder sind Sie etwa im Dienst?«
    Nein, ich war nicht im Dienst. Die Schwenker, die sie brachte, waren groß, der Cognac gut und zweifellos teuer. Die Flasche hatte ich nicht zu sehen bekommen. Angeberei schien nicht zu den Lastern dieser Leute zu zählen. Das große Haus lag so, dass es von der Straße kaum zu sehen war. Dem schweren Tisch mit hellgrauer Granitplatte sah man erst beim zweiten Blick an, dass er nicht aus dem Möbelmarkt stammte. Alles hier verriet: Man hatte es nicht nötig zu sparen, aber das musste nicht jeder wissen. Kinder gab es nicht in diesem Haus, das sah ich auf den ersten Blick. Cornelia Johansson setzte sich mir gegenüber auf eine weiße Couch und schlug die Beine übereinander.
    »Ich habe nicht so viel Zeit«, begann sie. Das fast schwarze Haar hatte sie im Nacken nachlässig mit einer Spange hochgesteckt. »Es geht um Sören, haben Sie am Telefon gesagt. Was möchten Sie über ihn wissen?« Bei aller Freundlichkeit blieb ihr Blick distanziert. Der Name ihres ersten Mannes schien keine guten Erinnerungen ihr wecken. Ihre Stimme war ein wenig kratzig. Sie räusperte sich oft.
    »Ihnen ist bekannt, dass er letzten Sommer ums Leben kam?«
    »Natürlich. Aber Sie erwarten hoffentlich nicht, dass ich die trauernde Witwe spiele?« Ihr kurzes Lachen war ungekünstelt.
    »Ich habe nur ein paar Fragen bezüglich seiner Firma. Was hat sie hergestellt? Wie viele Beschäftigte gab es? Können Sie sich noch an Namen von Angestellten erinnern? Und schließlich, und das ist nun wirklich die letzte Frage, warum ist sie am Ende Bankrott gegangen?«
    Sie nippte an ihrem Cognac und stellte das Glas mit plötzlichem Widerwillen beiseite. »Das war keine Firma, wie Sie sich das vielleicht vorstellen. Eher eine Art Ingenieurbüro. Sie haben andere Unternehmen beraten. Anfangs hatte Sören nur drei, vier Leute. Später, auf dem Höhepunkt, vielleicht zehn oder zwölf.«
    »Um welche Art von Beratung ging es dabei?«
    Sie neigte den Kopf zur Seite, schob eine vorwitzige Locke hinters Ohr. »Datensicherheit. Das war damals, in den Neunzigern, ein wichtiges Thema. Sie haben für die ganz Großen gearbeitet, BASF, Daimler, MLP.«
    »Könnten Sie mir das ein wenig genauer erklären? Ich verstehe nicht viel von Computern.«
    Sie senkte den Blick und spielte mit ihren Fingern. Offenbar war sie nervös. Vermutlich ging ich ihr auf die Nerven, aber sie war zu gut erzogen, um es mich merken zu lassen.
    »Grob gesagt ging es darum, dass niemand die E-Mails mitlesen kann, dass die internen Rechnernetze nicht von Hackern angezapft werden, dass wichtige Daten nicht in falsche Hände geraten. Eine paar Jahre hat Sören blendend verdient damit. Alle hatten damals eine Höllenangst, dass mit dem Aufkommen des Internet irgendwas Schreckliches passiert, dass man die Kontrolle verliert über die Datenströme. Die Wenigsten haben wirklich verstanden, was auf sie zukam. Und genau diese Angst, dieses Nichts-Wissen-aber-alles-Fürchten, das war sein Geschäft.«
    Der Blick durch die Glasfront ins Rheintal war sehenswert. Am gegenüberliegenden Hang die Strahlenburg, unten Schriesheim mit seinen Sträßchen und Fachwerkhäusern. In der Ferne glitzerten Autos auf der A 5 in der Mittagssonne. In Richtung Süden war bereits Stau. Alle wollten ins Grüne, an die frische Luft, und nun bekamen sie stattdessen Abgase und grauen Beton. Außer dem dezenten Ticken einer modernen Uhr an der Wand war kein Geräusch zu hören. Eine hochbeinige rote Katze schlich neugierig herein und verschwand nach einem

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